Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Landrichter zog seine Uhr; es war in der zehnten Abendstunde; dann betrachtete er die Anstrengungen der Ruderer, welche sich verdoppelten, und endlich schickte er dem dunstigen Feuerball einen neuen Fluch nach, denn er wußte Wohl, daß dieser die Schuld trage.

In den langen Sommertagen geht die Sonne hier schon mehrere Wochen lang nicht unter den Horizont; sie beschreibt einen Kreis in der abgeplatteten Polnähe, und wenn sie um Mitternacht scheint, ist der einzige Unterschied der, daß ein schlaftrunkenes Schweigen die ganze Natur ergriffen hat. Kein Windes-Fächeln ist zu merken, kein Halm bewegt sich, kein Fisch springt im Meere; alle Vögel ruhen aus in dem gelbrothen, fahlen Sonnenlichte und verbergen ihre Köpfe.

Diese Zeit war vorüber, der Feuerball fiel wieder in das unermeßliche Meer, aber die Nacht war doch nur eine Dämmerung weniger Stunden. Als er niedersank, trat Kühle ein, die kältere Luft stürzte der Sonne nach, und fast zugleich mit ihr kam die Strömung der Ebbe aus den Fjorden und Sunden dem Boote entgegen und versetzte es in eine schaukelnde und schwankende Bewegung.

Die Ruderer strengten alle Kräfte an und brachten das Boot dicht an die Küste aber in dem enger werdenden Kanale, der Senjenöen vom Festlande trennt, wurde die Strömung heftiger, und

Der Landrichter zog seine Uhr; es war in der zehnten Abendstunde; dann betrachtete er die Anstrengungen der Ruderer, welche sich verdoppelten, und endlich schickte er dem dunstigen Feuerball einen neuen Fluch nach, denn er wußte Wohl, daß dieser die Schuld trage.

In den langen Sommertagen geht die Sonne hier schon mehrere Wochen lang nicht unter den Horizont; sie beschreibt einen Kreis in der abgeplatteten Polnähe, und wenn sie um Mitternacht scheint, ist der einzige Unterschied der, daß ein schlaftrunkenes Schweigen die ganze Natur ergriffen hat. Kein Windes-Fächeln ist zu merken, kein Halm bewegt sich, kein Fisch springt im Meere; alle Vögel ruhen aus in dem gelbrothen, fahlen Sonnenlichte und verbergen ihre Köpfe.

Diese Zeit war vorüber, der Feuerball fiel wieder in das unermeßliche Meer, aber die Nacht war doch nur eine Dämmerung weniger Stunden. Als er niedersank, trat Kühle ein, die kältere Luft stürzte der Sonne nach, und fast zugleich mit ihr kam die Strömung der Ebbe aus den Fjorden und Sunden dem Boote entgegen und versetzte es in eine schaukelnde und schwankende Bewegung.

Die Ruderer strengten alle Kräfte an und brachten das Boot dicht an die Küste aber in dem enger werdenden Kanale, der Senjenöen vom Festlande trennt, wurde die Strömung heftiger, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <pb facs="#f0012"/>
        <p>Der Landrichter zog seine Uhr; es war in der zehnten Abendstunde; dann betrachtete er die      Anstrengungen der Ruderer, welche sich verdoppelten, und endlich schickte er dem dunstigen      Feuerball einen neuen Fluch nach, denn er wußte Wohl, daß dieser die Schuld trage.</p><lb/>
        <p>In den langen Sommertagen geht die Sonne hier schon mehrere Wochen lang nicht unter den      Horizont; sie beschreibt einen Kreis in der abgeplatteten Polnähe, und wenn sie um Mitternacht      scheint, ist der einzige Unterschied der, daß ein schlaftrunkenes Schweigen die ganze Natur      ergriffen hat. Kein Windes-Fächeln ist zu merken, kein Halm bewegt sich, kein Fisch springt im      Meere; alle Vögel ruhen aus in dem gelbrothen, fahlen Sonnenlichte und verbergen ihre      Köpfe.</p><lb/>
        <p>Diese Zeit war vorüber, der Feuerball fiel wieder in das unermeßliche Meer, aber die Nacht      war doch nur eine Dämmerung weniger Stunden. Als er niedersank, trat Kühle ein, die kältere      Luft stürzte der Sonne nach, und fast zugleich mit ihr kam die Strömung der Ebbe aus den      Fjorden und Sunden dem Boote entgegen und versetzte es in eine schaukelnde und schwankende      Bewegung.</p><lb/>
        <p>Die Ruderer strengten alle Kräfte an und brachten das Boot dicht an die Küste aber in dem      enger werdenden Kanale, der Senjenöen vom Festlande trennt, wurde die Strömung heftiger, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] Der Landrichter zog seine Uhr; es war in der zehnten Abendstunde; dann betrachtete er die Anstrengungen der Ruderer, welche sich verdoppelten, und endlich schickte er dem dunstigen Feuerball einen neuen Fluch nach, denn er wußte Wohl, daß dieser die Schuld trage. In den langen Sommertagen geht die Sonne hier schon mehrere Wochen lang nicht unter den Horizont; sie beschreibt einen Kreis in der abgeplatteten Polnähe, und wenn sie um Mitternacht scheint, ist der einzige Unterschied der, daß ein schlaftrunkenes Schweigen die ganze Natur ergriffen hat. Kein Windes-Fächeln ist zu merken, kein Halm bewegt sich, kein Fisch springt im Meere; alle Vögel ruhen aus in dem gelbrothen, fahlen Sonnenlichte und verbergen ihre Köpfe. Diese Zeit war vorüber, der Feuerball fiel wieder in das unermeßliche Meer, aber die Nacht war doch nur eine Dämmerung weniger Stunden. Als er niedersank, trat Kühle ein, die kältere Luft stürzte der Sonne nach, und fast zugleich mit ihr kam die Strömung der Ebbe aus den Fjorden und Sunden dem Boote entgegen und versetzte es in eine schaukelnde und schwankende Bewegung. Die Ruderer strengten alle Kräfte an und brachten das Boot dicht an die Küste aber in dem enger werdenden Kanale, der Senjenöen vom Festlande trennt, wurde die Strömung heftiger, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muegge_fjord_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muegge_fjord_1910/12
Zitationshilfe: Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muegge_fjord_1910/12>, abgerufen am 27.11.2024.