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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

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Des achten Hauptstücks, dritter Abschnitt.
so guten Grund geleget, daß er sehr wenig Beschwerniß finden wird alles,
was ihm dergleichen vorkömmt, bald richtig und rein vorzutragen.

§. 20.

Zum Beschlusse dieses Hauptstückes muß ich noch eine nützliche Beobach-
tung einschalten, die ein Violinist bey Abspielung der Doppelgriffe machen
kann: um mit gutem Tone, kräftig und rein zu spielen. Es ist unwidersprech-
lich, daß eine Seyte, wenn sie angeschlagen oder gestrichen wird, eine andere
ihr gleichgestimmte Seyte auch in Bewegung setze (b). Dieß ist aber nicht
genug. Jch hab die Probe auf der Violin, daß beym Zusammenstreichen
zweener Töne auch so gar bald die Terz, bald die Quint, bald die Octav
u. s. f. von sich selbst auf eben dem nämlichen Jnstrumente dazu klinge. Dieses
dienet nun zur untrüglichen Probe, womit sich jeder selbst prüfen kann, ob er
die Töne rein und richtig zu spielen weiß. Denn wenn zweene Töne, wie ich
sie unten anzeigen werde, gut genommen und recht aus der Violin, so zu
reden, heraus gezogen werden; so wird man zu gleicher Zeit die Unterstimme
in einem gewissen betäubten und schnarrenden Laut gar deutlich hören: sind die
Töne hingegen nicht rein gegriffen, und einer oder der andere nur um ein
bißchen zu hoch oder zu tief; so ist auch die Unterstimme falsch. Man versuche
es mit Geduld: und wer sich gar nicht darein finden kann, der spiele anfangs
auch die schwarze Grundnote, und nähere die Geige dem Gehör, so wird er
bey dem Abspielen der zwo oberen Noten eben diese untere schwarze Note dazu
schnarren hören. Je näher man die Violin an das Ohr hält, je mehr darf
man den Strich mässigen. Vor allem aber muß die Violin gut bezogen und

rein
(b) Daß dieß eine den Alten schon bekannte Sache war, sagt uns Aristides Quintilia-
nus Lib. 2. de Musica mit diesen Worten: Si quis enim in alteram ex duabus
Chordis eundem Sonum edentibus parvam imponat ac levem stipulam;
alteram autem longius inde tentam pulset, videbit Chordam stipula onu-
stam evidentissime una moveri.
Es läßt sich auch eine andere Probe machen.
Man hänge ein Geiginstrument, dessen Seyten nicht etwa gar zu sehr an-
gespannet sind, nahe zu einer Orgel; so wird man, wenn die Töne, welche
die leeren Seyten des Geiginstruments haben, auf der Orgel berühret
werden, zu gleicher Zeit die leeren Seyten auch, obwohl unberührt, mit-
klingen hören, oder wenigst eine starke Bewegung derselben bemerken. Oder
man geige auf einer nicht zu stark bezogenen, und etwas tief gestimmten
Geige das (g) mit dem dritten Finger auf der (D) Seyte; so wird sich die
leere (G) Seyte gleich selbst bewegen.

Des achten Hauptſtuͤcks, dritter Abſchnitt.
ſo guten Grund geleget, daß er ſehr wenig Beſchwerniß finden wird alles,
was ihm dergleichen vorkoͤmmt, bald richtig und rein vorzutragen.

§. 20.

Zum Beſchluſſe dieſes Hauptſtuͤckes muß ich noch eine nuͤtzliche Beobach-
tung einſchalten, die ein Violiniſt bey Abſpielung der Doppelgriffe machen
kann: um mit gutem Tone, kraͤftig und rein zu ſpielen. Es iſt unwiderſprech-
lich, daß eine Seyte, wenn ſie angeſchlagen oder geſtrichen wird, eine andere
ihr gleichgeſtimmte Seyte auch in Bewegung ſetze (b). Dieß iſt aber nicht
genug. Jch hab die Probe auf der Violin, daß beym Zuſammenſtreichen
zweener Toͤne auch ſo gar bald die Terz, bald die Quint, bald die Octav
u. ſ. f. von ſich ſelbſt auf eben dem naͤmlichen Jnſtrumente dazu klinge. Dieſes
dienet nun zur untruͤglichen Probe, womit ſich jeder ſelbſt pruͤfen kann, ob er
die Toͤne rein und richtig zu ſpielen weiß. Denn wenn zweene Toͤne, wie ich
ſie unten anzeigen werde, gut genommen und recht aus der Violin, ſo zu
reden, heraus gezogen werden; ſo wird man zu gleicher Zeit die Unterſtimme
in einem gewiſſen betaͤubten und ſchnarrenden Laut gar deutlich hoͤren: ſind die
Toͤne hingegen nicht rein gegriffen, und einer oder der andere nur um ein
bißchen zu hoch oder zu tief; ſo iſt auch die Unterſtimme falſch. Man verſuche
es mit Geduld: und wer ſich gar nicht darein finden kann, der ſpiele anfangs
auch die ſchwarze Grundnote, und naͤhere die Geige dem Gehoͤr, ſo wird er
bey dem Abſpielen der zwo oberen Noten eben dieſe untere ſchwarze Note dazu
ſchnarren hoͤren. Je naͤher man die Violin an das Ohr haͤlt, je mehr darf
man den Strich maͤſſigen. Vor allem aber muß die Violin gut bezogen und

rein
(b) Daß dieß eine den Alten ſchon bekannte Sache war, ſagt uns Ariſtides Quintilia-
nus Lib. 2. de Muſica mit dieſen Worten: Si quis enim in alteram ex duabus
Chordis eundem Sonum edentibus parvam imponat ac levem ſtipulam;
alteram autem longius inde tentam pulſet, videbit Chordam ſtipula onu-
ſtam evidentiſſime una moveri.
Es laͤßt ſich auch eine andere Probe machen.
Man haͤnge ein Geiginſtrument, deſſen Seyten nicht etwa gar zu ſehr an-
geſpannet ſind, nahe zu einer Orgel; ſo wird man, wenn die Toͤne, welche
die leeren Seyten des Geiginſtruments haben, auf der Orgel beruͤhret
werden, zu gleicher Zeit die leeren Seyten auch, obwohl unberuͤhrt, mit-
klingen hoͤren, oder wenigſt eine ſtarke Bewegung derſelben bemerken. Oder
man geige auf einer nicht zu ſtark bezogenen, und etwas tief geſtimmten
Geige das (g) mit dem dritten Finger auf der (D) Seyte; ſo wird ſich die
leere (G) Seyte gleich ſelbſt bewegen.
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[190/0218] Des achten Hauptſtuͤcks, dritter Abſchnitt. ſo guten Grund geleget, daß er ſehr wenig Beſchwerniß finden wird alles, was ihm dergleichen vorkoͤmmt, bald richtig und rein vorzutragen. §. 20. Zum Beſchluſſe dieſes Hauptſtuͤckes muß ich noch eine nuͤtzliche Beobach- tung einſchalten, die ein Violiniſt bey Abſpielung der Doppelgriffe machen kann: um mit gutem Tone, kraͤftig und rein zu ſpielen. Es iſt unwiderſprech- lich, daß eine Seyte, wenn ſie angeſchlagen oder geſtrichen wird, eine andere ihr gleichgeſtimmte Seyte auch in Bewegung ſetze (b). Dieß iſt aber nicht genug. Jch hab die Probe auf der Violin, daß beym Zuſammenſtreichen zweener Toͤne auch ſo gar bald die Terz, bald die Quint, bald die Octav u. ſ. f. von ſich ſelbſt auf eben dem naͤmlichen Jnſtrumente dazu klinge. Dieſes dienet nun zur untruͤglichen Probe, womit ſich jeder ſelbſt pruͤfen kann, ob er die Toͤne rein und richtig zu ſpielen weiß. Denn wenn zweene Toͤne, wie ich ſie unten anzeigen werde, gut genommen und recht aus der Violin, ſo zu reden, heraus gezogen werden; ſo wird man zu gleicher Zeit die Unterſtimme in einem gewiſſen betaͤubten und ſchnarrenden Laut gar deutlich hoͤren: ſind die Toͤne hingegen nicht rein gegriffen, und einer oder der andere nur um ein bißchen zu hoch oder zu tief; ſo iſt auch die Unterſtimme falſch. Man verſuche es mit Geduld: und wer ſich gar nicht darein finden kann, der ſpiele anfangs auch die ſchwarze Grundnote, und naͤhere die Geige dem Gehoͤr, ſo wird er bey dem Abſpielen der zwo oberen Noten eben dieſe untere ſchwarze Note dazu ſchnarren hoͤren. Je naͤher man die Violin an das Ohr haͤlt, je mehr darf man den Strich maͤſſigen. Vor allem aber muß die Violin gut bezogen und rein (b) Daß dieß eine den Alten ſchon bekannte Sache war, ſagt uns Ariſtides Quintilia- nus Lib. 2. de Muſica mit dieſen Worten: Si quis enim in alteram ex duabus Chordis eundem Sonum edentibus parvam imponat ac levem ſtipulam; alteram autem longius inde tentam pulſet, videbit Chordam ſtipula onu- ſtam evidentiſſime una moveri. Es laͤßt ſich auch eine andere Probe machen. Man haͤnge ein Geiginſtrument, deſſen Seyten nicht etwa gar zu ſehr an- geſpannet ſind, nahe zu einer Orgel; ſo wird man, wenn die Toͤne, welche die leeren Seyten des Geiginſtruments haben, auf der Orgel beruͤhret werden, zu gleicher Zeit die leeren Seyten auch, obwohl unberuͤhrt, mit- klingen hoͤren, oder wenigſt eine ſtarke Bewegung derſelben bemerken. Oder man geige auf einer nicht zu ſtark bezogenen, und etwas tief geſtimmten Geige das (g) mit dem dritten Finger auf der (D) Seyte; ſo wird ſich die leere (G) Seyte gleich ſelbſt bewegen.

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Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/218>, abgerufen am 23.11.2024.