zu einem Höfling, den er im Herzen verachtet, oder zu der Beyschläferin seines Fürsten, aus hergebrachter Sitte: Unterthäniger Diener! sa- gen, oder vor einem schmutzigen Bauer, dessen Gruss erwiedernd, den Hut abziehen muss.
Der Gegenstand des Lobs muss keine Kleinig- keiten betreffen: Wann, zum Beyspiel, ein Kö- nig einem armen Lieutenant ein Pferd geschenkt, einem lahm geschossenen General mit eigener hoher Hand den Stuhl zum Nidersitzen gerückt, vor lieber langer Weile einem Bauren einige Ehlen weit pflügen helfen; wann ein Fürst durch eins seiner Landstädtgen gefahren, ein Paar Gul- den in die Armen-Casse geschenkt hat, u. s. w.
Wann aber auch eine Handlung an sich selbst noch so gut ist, so muss nichts schiefes in de- ren Bekanntmachung liegen. Ein Fürst ver- schenkt in der besten und reinsten Absicht, aus Gefühl seiner Vater-Pflichten, an armen Unter- thanen etliche Scheffel Korn, einige Klafter Holz, und die Zeitungsschreiber machen einen Loblermen davon als wenn er seinem Volk das ewige Leben geschenkt hätte. Der Fürst ist frei- lich Persona publica; mithin können auch sei-
zu einem Höfling, den er im Herzen verachtet, oder zu der Beyschläferin seines Fürsten, aus hergebrachter Sitte: Unterthäniger Diener! sa- gen, oder vor einem schmutzigen Bauer, dessen Gruſs erwiedernd, den Hut abziehen muſs.
Der Gegenstand des Lobs muſs keine Kleinig- keiten betreffen: Wann, zum Beyspiel, ein Kö- nig einem armen Lieutenant ein Pferd geschenkt, einem lahm geschossenen General mit eigener hoher Hand den Stuhl zum Nidersitzen gerückt, vor lieber langer Weile einem Bauren einige Ehlen weit pflügen helfen; wann ein Fürst durch eins seiner Landstädtgen gefahren, ein Paar Gul- den in die Armen-Casse geschenkt hat, u. s. w.
Wann aber auch eine Handlung an sich selbst noch so gut ist, so muſs nichts schiefes in de- ren Bekanntmachung liegen. Ein Fürst ver- schenkt in der besten und reinsten Absicht, aus Gefühl seiner Vater-Pflichten, an armen Unter- thanen etliche Scheffel Korn, einige Klafter Holz, und die Zeitungsschreiber machen einen Loblermen davon als wenn er seinem Volk das ewige Leben geschenkt hätte. Der Fürst ist frei- lich Persona publica; mithin können auch sei-
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zu einem Höfling, den er im Herzen verachtet,
oder zu der Beyschläferin seines Fürsten, aus
hergebrachter Sitte: Unterthäniger Diener! sa-
gen, oder vor einem schmutzigen Bauer, dessen
Gruſs erwiedernd, den Hut abziehen muſs.
Der Gegenstand des Lobs muſs keine Kleinig-
keiten betreffen: Wann, zum Beyspiel, ein Kö-
nig einem armen Lieutenant ein Pferd geschenkt,
einem lahm geschossenen General mit eigener
hoher Hand den Stuhl zum Nidersitzen gerückt,
vor lieber langer Weile einem Bauren einige
Ehlen weit pflügen helfen; wann ein Fürst durch
eins seiner Landstädtgen gefahren, ein Paar Gul-
den in die Armen-Casse geschenkt hat, u. s. w.
Wann aber auch eine Handlung an sich selbst
noch so gut ist, so muſs nichts schiefes in de-
ren Bekanntmachung liegen. Ein Fürst ver-
schenkt in der besten und reinsten Absicht, aus
Gefühl seiner Vater-Pflichten, an armen Unter-
thanen etliche Scheffel Korn, einige Klafter
Holz, und die Zeitungsschreiber machen einen
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/93>, abgerufen am 22.11.2024.
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