unlaugbaren Herzens-Güte von Mutterleib her geisteslahm ist, der ohne Krücke und Führer keinen Schritt zu gehen vermag.
Ein Fürst von dieser Gattung sollte doch wohl billig, als Regent seines Staats, ein Lö- we bey den Bösen und ein Lamm bey den Schwachen seyn. Nur allzuoft ist es aber gera- de umgekehrt; sie sind selbst Schaafe bey den Bösen, und nur Tiger und Bären gegen die Guten und Schwachen.
Endlich so befiehlt mancher Herr eine und eben dieselbe Sache wohl zehenmahl und noch öfter, und sie geschieht doch nicht.
Woher das wohl kommen mag? Zunächst daher, weil es einem solchen Herrn selbst an Respect, Energie und Nachdruck fehlet; weil ein Herr glaubt, wanns nur befohlen ist, dann geschiehts; weil weder er selbst, noch andere, über der Vollstreckung des befohlenen halten; weil schlechte, faule, nachlässige Chefs am Hof und in den Collegien sind; aus allgemeiner menschlicher Gebrechlichkeit und Vergesslichkeit;
unlaugbaren Herzens-Güte von Mutterleib her geisteslahm ist, der ohne Krücke und Führer keinen Schritt zu gehen vermag.
Ein Fürst von dieser Gattung sollte doch wohl billig, als Regent seines Staats, ein Lö- we bey den Bösen und ein Lamm bey den Schwachen seyn. Nur allzuoft ist es aber gera- de umgekehrt; sie sind selbst Schaafe bey den Bösen, und nur Tiger und Bären gegen die Guten und Schwachen.
Endlich so befiehlt mancher Herr eine und eben dieselbe Sache wohl zehenmahl und noch öfter, und sie geschieht doch nicht.
Woher das wohl kommen mag? Zunächst daher, weil es einem solchen Herrn selbst an Respect, Energie und Nachdruck fehlet; weil ein Herr glaubt, wanns nur befohlen ist, dann geschiehts; weil weder er selbst, noch andere, über der Vollstreckung des befohlenen halten; weil schlechte, faule, nachläſsige Chefs am Hof und in den Collegien sind; aus allgemeiner menschlicher Gebrechlichkeit und Vergeſslichkeit;
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0063"n="57"/>
unlaugbaren Herzens-Güte von Mutterleib her<lb/><hirendition="#i"><hirendition="#g">geisteslahm</hi></hi> ist, der ohne Krücke und Führer<lb/>
keinen Schritt zu gehen vermag.</p><lb/><p>Ein Fürst von dieser Gattung sollte doch<lb/>
wohl billig, als Regent seines Staats, ein Lö-<lb/>
we bey den Bösen und ein Lamm bey den<lb/>
Schwachen seyn. Nur allzuoft ist es aber gera-<lb/>
de umgekehrt; sie sind selbst Schaafe bey den<lb/>
Bösen, und nur Tiger und Bären gegen die<lb/>
Guten und Schwachen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Endlich so befiehlt mancher Herr eine und<lb/>
eben dieselbe Sache wohl zehenmahl und noch<lb/>
öfter, und sie geschieht doch nicht.</p><lb/><p>Woher das wohl kommen mag? Zunächst<lb/>
daher, weil es einem solchen Herrn selbst an<lb/>
Respect, Energie und Nachdruck fehlet;<lb/><hirendition="#et">weil ein Herr glaubt, wanns nur befohlen ist,</hi><lb/>
dann geschiehts;<lb/><hirendition="#et">weil weder er selbst, noch andere, über der</hi><lb/>
Vollstreckung des befohlenen halten;<lb/><hirendition="#et">weil schlechte, faule, nachläſsige Chefs am</hi><lb/>
Hof und in den Collegien sind;<lb/><hirendition="#et">aus allgemeiner menschlicher Gebrechlichkeit</hi><lb/>
und Vergeſslichkeit;<lb/></p></div></body></text></TEI>
[57/0063]
unlaugbaren Herzens-Güte von Mutterleib her
geisteslahm ist, der ohne Krücke und Führer
keinen Schritt zu gehen vermag.
Ein Fürst von dieser Gattung sollte doch
wohl billig, als Regent seines Staats, ein Lö-
we bey den Bösen und ein Lamm bey den
Schwachen seyn. Nur allzuoft ist es aber gera-
de umgekehrt; sie sind selbst Schaafe bey den
Bösen, und nur Tiger und Bären gegen die
Guten und Schwachen.
Endlich so befiehlt mancher Herr eine und
eben dieselbe Sache wohl zehenmahl und noch
öfter, und sie geschieht doch nicht.
Woher das wohl kommen mag? Zunächst
daher, weil es einem solchen Herrn selbst an
Respect, Energie und Nachdruck fehlet;
weil ein Herr glaubt, wanns nur befohlen ist,
dann geschiehts;
weil weder er selbst, noch andere, über der
Vollstreckung des befohlenen halten;
weil schlechte, faule, nachläſsige Chefs am
Hof und in den Collegien sind;
aus allgemeiner menschlicher Gebrechlichkeit
und Vergeſslichkeit;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/63>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.