dass man in den leztern Jahren, um desto siche- rer zu gehen, ihm auch die Gegenstände von der mindesten Bedeutung in das Cabinet schick- te, um erst seinen Willen und eigene Verfügung darüber zu vernehmen. -- So regierte der Kay- ser wahrhaftig durch sich selbst. Aber eben diese, anfangs gutgemeinte, unmittelbare Theil- nehmung an allen, auch unwichtigen und un- ter der Würde eines so grossen Monarchen lie- genden, alltäglichen Dingen, überhäufte und beschäftigte seinen Kopf allmälig so sehr, dass die wahren Staatsmänner wünschten, er möchte weniger durch sich selbst regieren, und nur den grössern, seiner würdigen, Gegenständen eine solche Aufmerksamkeit weihen".
Josephs Temperament war das cholerisch- sanguinische; und seine Handlungen verriethen es. Herrschen, würken, zerstören, bauen, war ganz und unaufhörlich seine Sache. Alle seine Fehler und Schwachheiten waren Resul- tate seines Temperaments. Rasch und aufbrau- send, schnell ergreifend und eben so schnell wieder verwerfend, war seine Gemüthsart. Rasch sein Gang, rasch seine Geberde, rasch all sein Thun. Menschlichkeit war eine ihm un- bekannte Sache; und Sorge und Schonung für
daſs man in den leztern Jahren, um desto siche- rer zu gehen, ihm auch die Gegenstände von der mindesten Bedeutung in das Cabinet schick- te, um erst seinen Willen und eigene Verfügung darüber zu vernehmen. — So regierte der Kay- ser wahrhaftig durch sich selbst. Aber eben diese, anfangs gutgemeinte, unmittelbare Theil- nehmung an allen, auch unwichtigen und un- ter der Würde eines so groſsen Monarchen lie- genden, alltäglichen Dingen, überhäufte und beschäftigte seinen Kopf allmälig so sehr, daſs die wahren Staatsmänner wünschten, er möchte weniger durch sich selbst regieren, und nur den gröſsern, seiner würdigen, Gegenständen eine solche Aufmerksamkeit weihen„.
Josephs Temperament war das cholerisch- sanguinische; und seine Handlungen verriethen es. Herrschen, würken, zerstören, bauen, war ganz und unaufhörlich seine Sache. Alle seine Fehler und Schwachheiten waren Resul- tate seines Temperaments. Rasch und aufbrau- send, schnell ergreifend und eben so schnell wieder verwerfend, war seine Gemüthsart. Rasch sein Gang, rasch seine Geberde, rasch all sein Thun. Menschlichkeit war eine ihm un- bekannte Sache; und Sorge und Schonung für
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[51/0057]
daſs man in den leztern Jahren, um desto siche-
rer zu gehen, ihm auch die Gegenstände von
der mindesten Bedeutung in das Cabinet schick-
te, um erst seinen Willen und eigene Verfügung
darüber zu vernehmen. — So regierte der Kay-
ser wahrhaftig durch sich selbst. Aber eben
diese, anfangs gutgemeinte, unmittelbare Theil-
nehmung an allen, auch unwichtigen und un-
ter der Würde eines so groſsen Monarchen lie-
genden, alltäglichen Dingen, überhäufte und
beschäftigte seinen Kopf allmälig so sehr, daſs
die wahren Staatsmänner wünschten, er möchte
weniger durch sich selbst regieren, und nur den
gröſsern, seiner würdigen, Gegenständen eine
solche Aufmerksamkeit weihen„.
Josephs Temperament war das cholerisch-
sanguinische; und seine Handlungen verriethen
es. Herrschen, würken, zerstören, bauen,
war ganz und unaufhörlich seine Sache. Alle
seine Fehler und Schwachheiten waren Resul-
tate seines Temperaments. Rasch und aufbrau-
send, schnell ergreifend und eben so schnell
wieder verwerfend, war seine Gemüthsart.
Rasch sein Gang, rasch seine Geberde, rasch
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/57>, abgerufen am 22.11.2024.
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