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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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wird, seines Herrn Bestes zu befördern, dass
sie solches auch auf die nothwendige geziemen-
de Erinnerung in Gewissens-Sachen verstünden,
und nicht meyneten, der Beichtvater sey allein
dazu bestellet. -- Gewiss ist, dass der Unmuth,
das Murren, das Austragen und Durchhecheln
der Obrigkeiten, welches fast aller Orten von
Unterthanen getrieben wird, das Mittel so we-
nig seye, wodurch die Besserung zu erhalten
wäre, als das unbedachte Schreyen auf den
Canzeln".


So wahr und gegründet dieses in Ansehung
des Betragens und der Gesinnungen der Unter-
thanen auch noch zu unsern Tagen ist, wie
unendlich ist dagegen der Unterschied, wenn
man das Reden, oder, nach dem bidern Secken-
dorf
,
das Schreyen und Poltern der Prediger
vom Jahr 1685. dem Schweigen, Achseltragen
oder Leisetreten unserer modernen Canzelredner
vom Jahr 1795. gegen über stellt. Man mag
jenes tadeln und dieses entschuldigen, wie und
so viel man will, so ist doch nicht zu laügnen,
dass, wenn man zu jener Zeit zu viel gethan,
man heut zu Tage ehender zu wenig thue.

wird, seines Herrn Bestes zu befördern, daſs
sie solches auch auf die nothwendige geziemen-
de Erinnerung in Gewissens-Sachen verstünden,
und nicht meyneten, der Beichtvater sey allein
dazu bestellet. — Gewiſs ist, daſs der Unmuth,
das Murren, das Austragen und Durchhecheln
der Obrigkeiten, welches fast aller Orten von
Unterthanen getrieben wird, das Mittel so we-
nig seye, wodurch die Besserung zu erhalten
wäre, als das unbedachte Schreyen auf den
Canzeln„.


So wahr und gegründet dieses in Ansehung
des Betragens und der Gesinnungen der Unter-
thanen auch noch zu unsern Tagen ist, wie
unendlich ist dagegen der Unterschied, wenn
man das Reden, oder, nach dem bidern Secken-
dorf
,
das Schreyen und Poltern der Prediger
vom Jahr 1685. dem Schweigen, Achseltragen
oder Leisetreten unserer modernen Canzelredner
vom Jahr 1795. gegen über stellt. Man mag
jenes tadeln und dieses entschuldigen, wie und
so viel man will, so ist doch nicht zu laügnen,
daſs, wenn man zu jener Zeit zu viel gethan,
man heut zu Tage ehender zu wenig thue.

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[317/0323] wird, seines Herrn Bestes zu befördern, daſs sie solches auch auf die nothwendige geziemen- de Erinnerung in Gewissens-Sachen verstünden, und nicht meyneten, der Beichtvater sey allein dazu bestellet. — Gewiſs ist, daſs der Unmuth, das Murren, das Austragen und Durchhecheln der Obrigkeiten, welches fast aller Orten von Unterthanen getrieben wird, das Mittel so we- nig seye, wodurch die Besserung zu erhalten wäre, als das unbedachte Schreyen auf den Canzeln„. So wahr und gegründet dieses in Ansehung des Betragens und der Gesinnungen der Unter- thanen auch noch zu unsern Tagen ist, wie unendlich ist dagegen der Unterschied, wenn man das Reden, oder, nach dem bidern Secken- dorf, das Schreyen und Poltern der Prediger vom Jahr 1685. dem Schweigen, Achseltragen oder Leisetreten unserer modernen Canzelredner vom Jahr 1795. gegen über stellt. Man mag jenes tadeln und dieses entschuldigen, wie und so viel man will, so ist doch nicht zu laügnen, daſs, wenn man zu jener Zeit zu viel gethan, man heut zu Tage ehender zu wenig thue.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/323>, abgerufen am 24.11.2024.