Ursache. Denn man erfähret es, dass sie bey ihrem grossen Einkommen die ärmesten Leute seyn. Je mehr Länder sie bekommen, je armer sie werden, dass auch niemand mehr Schulden hinter sich lässet, als die mächtigsten Potenta- ten. Also erwecket der Mangel die Begierde, und die Begierde häuffet den Mangel.
Zum vierten ist ein statistischer Regent ein räuberisch unrechtfertiges Thier. Wenn einer schon geitzig ist, so ist er forth noch nicht unrechtfertig. Aber ein Regent, der sich nach Ratio Status richtet, muss nicht allein geitzig, sondern auch unrechtfertig seyn. Er muss an sich ziehen alles, was er nur kann, es geschehe durch Recht oder durch Un- recht; es gereichet alles zu dem gemeinen Besten. Solte wol jener Seeräuber nicht recht gesaget haben: Er, der Seeräuber, were nur ein kleiner Räuber; aber der grosse Alexander were ein grosser Räuber, welcher zu Wasser und Lande die ganze Welt beraubete?
Zum fünften ist ein Regent, wie er von uns verstanden wird, ein listiges Thier. Es weiss wol, dass es nicht alles recht ist, was es thut; es weiss aber auch seinen We-
Ursache. Denn man erfähret es, daſs sie bey ihrem groſsen Einkommen die ärmesten Leute seyn. Je mehr Länder sie bekommen, je armer sie werden, daſs auch niemand mehr Schulden hinter sich lässet, als die mächtigsten Potenta- ten. Also erwecket der Mangel die Begierde, und die Begierde häuffet den Mangel.
Zum vierten ist ein statistischer Regent ein räuberisch unrechtfertiges Thier. Wenn einer schon geitzig ist, so ist er forth noch nicht unrechtfertig. Aber ein Regent, der sich nach Ratio Status richtet, muſs nicht allein geitzig, sondern auch unrechtfertig seyn. Er muſs an sich ziehen alles, was er nur kann, es geschehe durch Recht oder durch Un- recht; es gereichet alles zu dem gemeinen Besten. Solte wol jener Seeräuber nicht recht gesaget haben: Er, der Seeräuber, were nur ein kleiner Räuber; aber der groſse Alexander were ein groſser Räuber, welcher zu Wasser und Lande die ganze Welt beraubete?
Zum fünften ist ein Regent, wie er von uns verstanden wird, ein listiges Thier. Es weiſs wol, daſs es nicht alles recht ist, was es thut; es weiſs aber auch seinen We-
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Ursache. Denn man erfähret es, daſs sie bey
ihrem groſsen Einkommen die ärmesten Leute
seyn. Je mehr Länder sie bekommen, je armer
sie werden, daſs auch niemand mehr Schulden
hinter sich lässet, als die mächtigsten Potenta-
ten. Also erwecket der Mangel die Begierde,
und die Begierde häuffet den Mangel.
Zum vierten ist ein statistischer Regent ein
räuberisch unrechtfertiges Thier. Wenn
einer schon geitzig ist, so ist er forth noch
nicht unrechtfertig. Aber ein Regent, der sich
nach Ratio Status richtet, muſs nicht allein
geitzig, sondern auch unrechtfertig seyn. Er
muſs an sich ziehen alles, was er nur kann,
es geschehe durch Recht oder durch Un-
recht; es gereichet alles zu dem gemeinen
Besten. Solte wol jener Seeräuber nicht recht
gesaget haben: Er, der Seeräuber, were nur
ein kleiner Räuber; aber der groſse Alexander
were ein groſser Räuber, welcher zu Wasser
und Lande die ganze Welt beraubete?
Zum fünften ist ein Regent, wie er von uns
verstanden wird, ein listiges Thier. Es
weiſs wol, daſs es nicht alles recht ist,
was es thut; es weiſs aber auch seinen We-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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