gekommen, ehrliche Leute von unehrlichen nicht mehr unterscheiden zu können oder zu wollen.
32. Ich habe eine heile Haut; wen's juckt, der kratze sich.
Kayser Joseph II. pflegte über die in Wien so häufig erschienenen und ihn selbst verhöh- nende Spottschriften zu sagen: "Ich habe eine heile Haut; wen's juckt, der kratze sich". Das hätten Ihro Majestät billig nicht sagen sollen. Als Mensch konnte Joseph allenfalls so sprechen; aber als ein Gesalbter Gottes, als Staats-Ver- walter, wie Er sich so gerne nannte, konnte er eben so wenig über sich selbst, über die Heiligkeit seiner Würde, disponiren, als wenig ein seinen Oberherrn repräsentirender Botschaf- ter sich ungeahndet beschimpfen lassen darf. So gar eine gemeine Schildwache ist unverletz- bar, so lange sie auf ihrem Posten steht.
33. Beharrlichkeit im Unrecht thun.
Ein Herr fühlt oft lebendig in sich das Un- recht, womit er einen seiner würdigen Diener
gekommen, ehrliche Leute von unehrlichen nicht mehr unterscheiden zu können oder zu wollen.
32. Ich habe eine heile Haut; wen’s juckt, der kratze sich.
Kayser Joseph II. pflegte über die in Wien so häufig erschienenen und ihn selbst verhöh- nende Spottschriften zu sagen: „Ich habe eine heile Haut; wen’s juckt, der kratze sich„. Das hätten Ihro Majestät billig nicht sagen sollen. Als Mensch konnte Joseph allenfalls so sprechen; aber als ein Gesalbter Gottes, als Staats-Ver- walter, wie Er sich so gerne nannte, konnte er eben so wenig über sich selbst, über die Heiligkeit seiner Würde, disponiren, als wenig ein seinen Oberherrn repräsentirender Botschaf- ter sich ungeahndet beschimpfen lassen darf. So gar eine gemeine Schildwache ist unverletz- bar, so lange sie auf ihrem Posten steht.
33. Beharrlichkeit im Unrecht thun.
Ein Herr fühlt oft lebendig in sich das Un- recht, womit er einen seiner würdigen Diener
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gekommen, ehrliche Leute von unehrlichen
nicht mehr unterscheiden zu können oder zu
wollen.
32.
Ich habe eine heile Haut; wen’s juckt, der
kratze sich.
Kayser Joseph II. pflegte über die in Wien
so häufig erschienenen und ihn selbst verhöh-
nende Spottschriften zu sagen: „Ich habe eine
heile Haut; wen’s juckt, der kratze sich„. Das
hätten Ihro Majestät billig nicht sagen sollen.
Als Mensch konnte Joseph allenfalls so sprechen;
aber als ein Gesalbter Gottes, als Staats-Ver-
walter, wie Er sich so gerne nannte, konnte
er eben so wenig über sich selbst, über die
Heiligkeit seiner Würde, disponiren, als wenig
ein seinen Oberherrn repräsentirender Botschaf-
ter sich ungeahndet beschimpfen lassen darf.
So gar eine gemeine Schildwache ist unverletz-
bar, so lange sie auf ihrem Posten steht.
33.
Beharrlichkeit im Unrecht thun.
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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