horsam, Unterwerfung, Uneigennutz, Diensteifer, und wie die schönen Worte mehr heissen, im Ernst geleistet oder zum Schein vorgeheuchelt wird, je gewisser, je reichlicher hoffen und erwarten die Bescheidensten unter ihren Dienern, und je tro- ziger und ungestümmer fordern die Unwürdigen und Unverschämten Belohnung ihrer angeblichen Treue, Anhänglichkeit, erduldenden Zwangs etc. Je länger ein Fürst regiert, je eine grössere Sammlung von Erfahrungen kann er machen, wie oft er von solchen missbraucht, hintergangen, grob oder fein belogen und betrogen worden, in welche er just das gegründeteste Vertrauen setzen und auf ihre Redlichkeit und Uneigenutz bauen zu können vermeinet hat.
Wie wahr ist, was über diesen Punkt zween unserer vorzüglichsten Schriftsteller gesagt haben. "Fürstliche Menschen", sagt Lavater, "sind sel- ten ganz menschliche Menschen, in deren Atmosphä- re man ganz frey athmen kann. Dennoch kenn' ich Ausnahmen. Aber wir müssen auch billig seyn, und uns in ihre Lage setzen. Sie können sich nicht so mittheilen, wie unser einer. Alles missbraucht sie, wie Alles unsere gemeine mensch- liche Güte missbraucht. Sie müssen misstrauisch werden, wie unser einer misstrauisch werden
horsam, Unterwerfung, Uneigennutz, Diensteifer, und wie die schönen Worte mehr heissen, im Ernst geleistet oder zum Schein vorgeheuchelt wird, je gewisser, je reichlicher hoffen und erwarten die Bescheidensten unter ihren Dienern, und je tro- ziger und ungestümmer fordern die Unwürdigen und Unverschämten Belohnung ihrer angeblichen Treue, Anhänglichkeit, erduldenden Zwangs etc. Je länger ein Fürst regiert, je eine gröſsere Sammlung von Erfahrungen kann er machen, wie oft er von solchen miſsbraucht, hintergangen, grob oder fein belogen und betrogen worden, in welche er just das gegründeteste Vertrauen setzen und auf ihre Redlichkeit und Uneigenutz bauen zu können vermeinet hat.
Wie wahr ist, was über diesen Punkt zween unserer vorzüglichsten Schriftsteller gesagt haben. „Fürstliche Menschen„, sagt Lavater, „sind sel- ten ganz menschliche Menschen, in deren Atmosphä- re man ganz frey athmen kann. Dennoch kenn’ ich Ausnahmen. Aber wir müssen auch billig seyn, und uns in ihre Lage setzen. Sie können sich nicht so mittheilen, wie unser einer. Alles miſsbraucht sie, wie Alles unsere gemeine mensch- liche Güte miſsbraucht. Sie müssen miſstrauisch werden, wie unser einer miſstrauisch werden
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horsam, Unterwerfung, Uneigennutz, Diensteifer,
und wie die schönen Worte mehr heissen, im Ernst
geleistet oder zum Schein vorgeheuchelt wird,
je gewisser, je reichlicher hoffen und erwarten
die Bescheidensten unter ihren Dienern, und je tro-
ziger und ungestümmer fordern die Unwürdigen
und Unverschämten Belohnung ihrer angeblichen
Treue, Anhänglichkeit, erduldenden Zwangs etc.
Je länger ein Fürst regiert, je eine gröſsere
Sammlung von Erfahrungen kann er machen, wie
oft er von solchen miſsbraucht, hintergangen,
grob oder fein belogen und betrogen worden, in
welche er just das gegründeteste Vertrauen setzen
und auf ihre Redlichkeit und Uneigenutz bauen
zu können vermeinet hat.
Wie wahr ist, was über diesen Punkt zween
unserer vorzüglichsten Schriftsteller gesagt haben.
„Fürstliche Menschen„, sagt Lavater, „sind sel-
ten ganz menschliche Menschen, in deren Atmosphä-
re man ganz frey athmen kann. Dennoch kenn’
ich Ausnahmen. Aber wir müssen auch billig
seyn, und uns in ihre Lage setzen. Sie können
sich nicht so mittheilen, wie unser einer. Alles
miſsbraucht sie, wie Alles unsere gemeine mensch-
liche Güte miſsbraucht. Sie müssen miſstrauisch
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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