Nachforschung der Geschichte unserer Familie fertig wären, so dürfte wohl vielen unter uns das Herz klopfen; sie würden mit Erstaunen gewahr werden, dass nicht nur die Laster ihrer Vorfahren auch würklich die ihrigen wären, son- dern dass sie auch viel weiter darinnen fortge- rückt wären, als jene. O ihr, die ihr in die- sem Falle seyd, ich bitte euch bey der Liebe zu euch selbst, bey der Zuneigung gegen die eurigen, und bey der Barmherzigkeit gegen die Nachwelt, machet Halt; stehet still auf der Bahn des Lasters, die eure Voreltern betraten, eure Eltern giengen, und ihr ihnen bisher nachwan- deltet. -- Vielleicht, dass wir, wenn wir die Sünden unserer Eltern und Voreltern fliehen, auch manches Böse dadurch wieder gut machen, das sie vor andern gestiftet haben. Wie ver- dient machen wir uns alsdann sogar um uns- re Voreltern; wie werden diese uns einst bey der allgemeinen Zusammenkunft in der zweiten Welt dafür noch danken, dass wir Schimpf und Schande weggewischt haben, womit ihr Anden- ken in der ersten Welt sich beflecket hatte.
Haben unsere Eltern und Voreltern aber schö- ne und grosse Tugenden ausgeübt; sind diese in unserer Familie herrschend gewesen, o diese,
Nachforschung der Geschichte unserer Familie fertig wären, so dürfte wohl vielen unter uns das Herz klopfen; sie würden mit Erstaunen gewahr werden, daſs nicht nur die Laster ihrer Vorfahren auch würklich die ihrigen wären, son- dern daſs sie auch viel weiter darinnen fortge- rückt wären, als jene. O ihr, die ihr in die- sem Falle seyd, ich bitte euch bey der Liebe zu euch selbst, bey der Zuneigung gegen die eurigen, und bey der Barmherzigkeit gegen die Nachwelt, machet Halt; stehet still auf der Bahn des Lasters, die eure Voreltern betraten, eure Eltern giengen, und ihr ihnen bisher nachwan- deltet. — Vielleicht, daſs wir, wenn wir die Sünden unserer Eltern und Voreltern fliehen, auch manches Böse dadurch wieder gut machen, das sie vor andern gestiftet haben. Wie ver- dient machen wir uns alsdann sogar um uns- re Voreltern; wie werden diese uns einst bey der allgemeinen Zusammenkunft in der zweiten Welt dafür noch danken, daſs wir Schimpf und Schande weggewischt haben, womit ihr Anden- ken in der ersten Welt sich beflecket hatte.
Haben unsere Eltern und Voreltern aber schö- ne und groſse Tugenden ausgeübt; sind diese in unserer Familie herrschend gewesen, o diese,
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Nachforschung der Geschichte unserer Familie
fertig wären, so dürfte wohl vielen unter uns
das Herz klopfen; sie würden mit Erstaunen
gewahr werden, daſs nicht nur die Laster ihrer
Vorfahren auch würklich die ihrigen wären, son-
dern daſs sie auch viel weiter darinnen fortge-
rückt wären, als jene. O ihr, die ihr in die-
sem Falle seyd, ich bitte euch bey der Liebe
zu euch selbst, bey der Zuneigung gegen die
eurigen, und bey der Barmherzigkeit gegen die
Nachwelt, machet Halt; stehet still auf der Bahn
des Lasters, die eure Voreltern betraten, eure
Eltern giengen, und ihr ihnen bisher nachwan-
deltet. — Vielleicht, daſs wir, wenn wir die
Sünden unserer Eltern und Voreltern fliehen,
auch manches Böse dadurch wieder gut machen,
das sie vor andern gestiftet haben. Wie ver-
dient machen wir uns alsdann sogar um uns-
re Voreltern; wie werden diese uns einst bey
der allgemeinen Zusammenkunft in der zweiten
Welt dafür noch danken, daſs wir Schimpf und
Schande weggewischt haben, womit ihr Anden-
ken in der ersten Welt sich beflecket hatte.
Haben unsere Eltern und Voreltern aber schö-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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