Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

eines kleinen Waldeckischen Landstädtgens Kay-
ser Carl VI. auf seiner Durchreise nach Engel-
land und Spanien, nach damaliger Zeit Sitte, mit
einer Anrede complimentiren wollte, und nach
den gewöhnlichen Titeln von: Allerdurchlauch-
tigster, Grossmächtigster etc. mit eins aus sei-
nem Text in den christlichen Glauben kam,
und fortfuhr:

"Allmächtiger Schöpfer Himmels und der Er-
"de". Der gütige Monarch antwortete: Zu viel,
zu viel! Und damit hatte die Oration noch vor
ihrem Anfang ein Ende.


Es giebt ein, wie man es so nennen könnte,
negatives Lob, das man Fürsten, wegen frey-
willig oder gezwungen unterlassenen Handlun-
gen beylegt; in welcher Kunst die ehemaligen
Leichen-Redner vorzügliche Meister waren.
So lobt man einen Herrn wegen seiner Spar-
samkeit und guten Wirthschaft, weil es ihm
an Geld und Credit fehlte, länger ein Ver-
schwender und Schuldenmacher zu seyn; ei-
nen andern Fürsten wegen seiner musterhaften
Keuschheit, weil die Sünde ihn wider seinen
Wunsch und Willen verlassen hat; wegen sei-
ner christlichen Gelassenheit, weil ihn seine
mächtigere Feinde von Land und Leuten gejagt
hatten; wegen seiner Unterwerfung in den
göttlichen Willen, weil er zwischen vier Mau-
ren eingesperrt war, u. s. w. Manches von

allem

eines kleinen Waldeckischen Landstädtgens Kay-
ser Carl VI. auf seiner Durchreise nach Engel-
land und Spanien, nach damaliger Zeit Sitte, mit
einer Anrede complimentiren wollte, und nach
den gewöhnlichen Titeln von: Allerdurchlauch-
tigster, Groſsmächtigster etc. mit eins aus sei-
nem Text in den christlichen Glauben kam,
und fortfuhr:

„Allmächtiger Schöpfer Himmels und der Er-
„de„. Der gütige Monarch antwortete: Zu viel,
zu viel! Und damit hatte die Oration noch vor
ihrem Anfang ein Ende.


Es giebt ein, wie man es so nennen könnte,
negatives Lob, das man Fürsten, wegen frey-
willig oder gezwungen unterlassenen Handlun-
gen beylegt; in welcher Kunst die ehemaligen
Leichen-Redner vorzügliche Meister waren.
So lobt man einen Herrn wegen seiner Spar-
samkeit und guten Wirthschaft, weil es ihm
an Geld und Credit fehlte, länger ein Ver-
schwender und Schuldenmacher zu seyn; ei-
nen andern Fürsten wegen seiner musterhaften
Keuschheit, weil die Sünde ihn wider seinen
Wunsch und Willen verlassen hat; wegen sei-
ner christlichen Gelassenheit, weil ihn seine
mächtigere Feinde von Land und Leuten gejagt
hatten; wegen seiner Unterwerfung in den
göttlichen Willen, weil er zwischen vier Mau-
ren eingesperrt war, u. s. w. Manches von

allem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="208"/>
eines kleinen Waldeckischen Landstädtgens Kay-<lb/>
ser Carl VI. auf seiner Durchreise nach Engel-<lb/>
land und Spanien, nach damaliger Zeit Sitte, mit<lb/>
einer Anrede complimentiren wollte, und nach<lb/>
den gewöhnlichen Titeln von: Allerdurchlauch-<lb/>
tigster, Gro&#x017F;smächtigster etc. mit eins aus sei-<lb/>
nem Text in den christlichen Glauben kam,<lb/>
und fortfuhr:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Allmächtiger Schöpfer Himmels und der Er-<lb/>
&#x201E;de&#x201E;. Der gütige Monarch antwortete: Zu viel,<lb/>
zu viel! Und damit hatte die Oration noch vor<lb/>
ihrem Anfang ein Ende.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Es giebt ein, wie man es so nennen könnte,<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">negatives</hi></hi> Lob, das man Fürsten, wegen frey-<lb/>
willig oder gezwungen unterlassenen Handlun-<lb/>
gen beylegt; in welcher Kunst die ehemaligen<lb/>
Leichen-Redner vorzügliche Meister waren.<lb/>
So lobt man einen Herrn wegen seiner Spar-<lb/>
samkeit und guten Wirthschaft, weil es ihm<lb/>
an Geld und Credit fehlte, länger ein Ver-<lb/>
schwender und Schuldenmacher zu seyn; ei-<lb/>
nen andern Fürsten wegen seiner musterhaften<lb/>
Keuschheit, weil die Sünde ihn wider seinen<lb/>
Wunsch und Willen verlassen hat; wegen sei-<lb/>
ner christlichen Gelassenheit, weil ihn seine<lb/>
mächtigere Feinde von Land und Leuten gejagt<lb/>
hatten; wegen seiner Unterwerfung in den<lb/>
göttlichen Willen, weil er zwischen vier Mau-<lb/>
ren eingesperrt war, u. s. w. Manches von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">allem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0214] eines kleinen Waldeckischen Landstädtgens Kay- ser Carl VI. auf seiner Durchreise nach Engel- land und Spanien, nach damaliger Zeit Sitte, mit einer Anrede complimentiren wollte, und nach den gewöhnlichen Titeln von: Allerdurchlauch- tigster, Groſsmächtigster etc. mit eins aus sei- nem Text in den christlichen Glauben kam, und fortfuhr: „Allmächtiger Schöpfer Himmels und der Er- „de„. Der gütige Monarch antwortete: Zu viel, zu viel! Und damit hatte die Oration noch vor ihrem Anfang ein Ende. Es giebt ein, wie man es so nennen könnte, negatives Lob, das man Fürsten, wegen frey- willig oder gezwungen unterlassenen Handlun- gen beylegt; in welcher Kunst die ehemaligen Leichen-Redner vorzügliche Meister waren. So lobt man einen Herrn wegen seiner Spar- samkeit und guten Wirthschaft, weil es ihm an Geld und Credit fehlte, länger ein Ver- schwender und Schuldenmacher zu seyn; ei- nen andern Fürsten wegen seiner musterhaften Keuschheit, weil die Sünde ihn wider seinen Wunsch und Willen verlassen hat; wegen sei- ner christlichen Gelassenheit, weil ihn seine mächtigere Feinde von Land und Leuten gejagt hatten; wegen seiner Unterwerfung in den göttlichen Willen, weil er zwischen vier Mau- ren eingesperrt war, u. s. w. Manches von allem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/214
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/214>, abgerufen am 23.11.2024.