Zu einem vernünftigen Lob muss auch ge- rechnet werden, dass es sich in die Zeiten schicke, worinnen man lebt. Vor 200. Jahren, wo der alte Spangenberg noch seinen Fluch- und Sauf-Teufel schrieb; vor 150. 100. auch noch vor 50. Jahren, wo auf das Heidelberger- Fass Medaillen geprägt wurden und der Sauf- ruhm der Pfälzischen Höfe durch ganz Europa erschallte, wo die Lehens-Becher zum Cere- moniel und das Gesundheittrinken aus vollen Bechern zur guten Lebensart gehörte, mochte die Mässigkeit eines Fürsten ihm noch zum Lob haben angerechnet werden können; heut zu Tage würde man darüber lachen, denn die mei- sten gnädigsten Herrn trinken ja alle Wasser, höchstens ein Gläsgen ausländischer Weine oder Liqueurs.
Sonst gehörte Fluchen und Schwören zum guten Ton der Höfe; heut zu Tage würde man sich dadurch verächtlich machen, und den ver- spotten, der einen König darüber loben wollte, dass er nicht das beliebte Ventre saint gris des Heinrich IV. nachahmen wollen.
Eben so verhält's sich's damit, wenn man ei- nen König oder Fürsten wegen seiner Beschei-
Zu einem vernünftigen Lob muſs auch ge- rechnet werden, daſs es sich in die Zeiten schicke, worinnen man lebt. Vor 200. Jahren, wo der alte Spangenberg noch seinen Fluch- und Sauf-Teufel schrieb; vor 150. 100. auch noch vor 50. Jahren, wo auf das Heidelberger- Faſs Medaillen geprägt wurden und der Sauf- ruhm der Pfälzischen Höfe durch ganz Europa erschallte, wo die Lehens-Becher zum Cere- moniel und das Gesundheittrinken aus vollen Bechern zur guten Lebensart gehörte, mochte die Mäſsigkeit eines Fürsten ihm noch zum Lob haben angerechnet werden können; heut zu Tage würde man darüber lachen, denn die mei- sten gnädigsten Herrn trinken ja alle Wasser, höchstens ein Gläsgen ausländischer Weine oder Liqueurs.
Sonst gehörte Fluchen und Schwören zum guten Ton der Höfe; heut zu Tage würde man sich dadurch verächtlich machen, und den ver- spotten, der einen König darüber loben wollte, daſs er nicht das beliebte Ventre saint gris des Heinrich IV. nachahmen wollen.
Eben so verhält’s sich’s damit, wenn man ei- nen König oder Fürsten wegen seiner Beschei-
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Zu einem vernünftigen Lob muſs auch ge-
rechnet werden, daſs es sich in die Zeiten
schicke, worinnen man lebt. Vor 200. Jahren,
wo der alte Spangenberg noch seinen Fluch-
und Sauf-Teufel schrieb; vor 150. 100. auch
noch vor 50. Jahren, wo auf das Heidelberger-
Faſs Medaillen geprägt wurden und der Sauf-
ruhm der Pfälzischen Höfe durch ganz Europa
erschallte, wo die Lehens-Becher zum Cere-
moniel und das Gesundheittrinken aus vollen
Bechern zur guten Lebensart gehörte, mochte
die Mäſsigkeit eines Fürsten ihm noch zum Lob
haben angerechnet werden können; heut zu
Tage würde man darüber lachen, denn die mei-
sten gnädigsten Herrn trinken ja alle Wasser,
höchstens ein Gläsgen ausländischer Weine oder
Liqueurs.
Sonst gehörte Fluchen und Schwören zum
guten Ton der Höfe; heut zu Tage würde man
sich dadurch verächtlich machen, und den ver-
spotten, der einen König darüber loben wollte,
daſs er nicht das beliebte Ventre saint gris
des Heinrich IV. nachahmen wollen.
Eben so verhält’s sich’s damit, wenn man ei-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/192>, abgerufen am 23.11.2024.
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