de Brüderschaften und schlichteten beym Wein ihre Händel und Streitigkeiten; jetzt trinken Ihro Liebden meistens alle Wasser oder ein Gläsgen Liqueur, hingegen zanken und betrü- gen sie sich um jede Kleinigkeit. Sonst kamen sie häufiger in Selbst-Person zusammen und dann drückten und schüttelten sie sich einan- der die Hände; jetzt, wenn ja diese Zusam- menkünfte noch geschehen, wie man die neue- ste grosse Beyspiele von K. Joseph II. im Lager zu Neisse und zu Cherson, und von seinem Nachfolger zu Pillniz hat, so embrassiert und complimentirt man sich auch noch in die Wet- te; jeder sinnt aber zugleich am ernstlichsten darauf, wie er den andern aushohlen und spä- ter oder früher überlisten könne? -- Ich über- gehe, was noch mehr über diesen fruchtbaren Text gedacht werden könnte, und wiederhole nur noch ein wahres Wort, das Waser*) sagte: "Das Gerade, das Natürliche, das Mensch- liche wird heut zu Tage aller Orten so sehr ins Politische, Kleine, Herrschsüchtige und Eigen- nützige verwickelt, dass es im Grossen und im Kleinen von diesem Strickfaden erdrosselt wird,
*) Ueber Hudibras p. 183.
de Brüderschaften und schlichteten beym Wein ihre Händel und Streitigkeiten; jetzt trinken Ihro Liebden meistens alle Wasser oder ein Gläsgen Liqueur, hingegen zanken und betrü- gen sie sich um jede Kleinigkeit. Sonst kamen sie häufiger in Selbst-Person zusammen und dann drückten und schüttelten sie sich einan- der die Hände; jetzt, wenn ja diese Zusam- menkünfte noch geschehen, wie man die neue- ste groſse Beyspiele von K. Joseph II. im Lager zu Neisse und zu Cherson, und von seinem Nachfolger zu Pillniz hat, so embrassiert und complimentirt man sich auch noch in die Wet- te; jeder sinnt aber zugleich am ernstlichsten darauf, wie er den andern aushohlen und spä- ter oder früher überlisten könne? — Ich über- gehe, was noch mehr über diesen fruchtbaren Text gedacht werden könnte, und wiederhole nur noch ein wahres Wort, das Waser*) sagte: „Das Gerade, das Natürliche, das Mensch- liche wird heut zu Tage aller Orten so sehr ins Politische, Kleine, Herrschsüchtige und Eigen- nützige verwickelt, daſs es im Groſsen und im Kleinen von diesem Strickfaden erdrosselt wird,
*) Ueber Hudibras p. 183.
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de Brüderschaften und schlichteten beym Wein
ihre Händel und Streitigkeiten; jetzt trinken
Ihro Liebden meistens alle Wasser oder ein
Gläsgen Liqueur, hingegen zanken und betrü-
gen sie sich um jede Kleinigkeit. Sonst kamen
sie häufiger in Selbst-Person zusammen und
dann drückten und schüttelten sie sich einan-
der die Hände; jetzt, wenn ja diese Zusam-
menkünfte noch geschehen, wie man die neue-
ste groſse Beyspiele von K. Joseph II. im Lager
zu Neisse und zu Cherson, und von seinem
Nachfolger zu Pillniz hat, so embrassiert und
complimentirt man sich auch noch in die Wet-
te; jeder sinnt aber zugleich am ernstlichsten
darauf, wie er den andern aushohlen und spä-
ter oder früher überlisten könne? — Ich über-
gehe, was noch mehr über diesen fruchtbaren
Text gedacht werden könnte, und wiederhole
nur noch ein wahres Wort, das Waser *) sagte:
„Das Gerade, das Natürliche, das Mensch-
liche wird heut zu Tage aller Orten so sehr ins
Politische, Kleine, Herrschsüchtige und Eigen-
nützige verwickelt, daſs es im Groſsen und im
Kleinen von diesem Strickfaden erdrosselt wird,
*) Ueber Hudibras p. 183.
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/140>, abgerufen am 22.11.2024.
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