können, wohl zu unterscheiden. Ein Fürst kann sehr höflich, und dabey in hohem Grade falsch seyn; so wie hinwiederum ein anderer kalt, trocken, nichts weniger denn artig, nach Befinden auch wohl grob, und doch nach sei- nem innern Werth ein köstlicher, edler, gülde- ner, in allen seinen Reden und Handlungen wahrhafter Mann seyn kann.
Ohne ein übertriebener Laudator temporis acti zu seyn, so kann man doch mit Wahrheits- Grund sagen: So, wie jezt, war's vor Zeiten nicht! Die deutsche Treue, Biederkeit, Ehrlich- keit war sonst das höchste Lob eines Fürsten, war sonst eine National-Tugend, gegen über der sonst eben so verschrieenen Gallica fide. Wo ist sie noch zu finden?
Zwar hat der Himmel uns nicht so weit übergeben, Dass von der alten Zeit nicht theure Reste leben. Haller.
Aber im Ganzen ist nicht nur der Geist von uns gewichen, sondern die Form ist so gar verlo- ren gegangen. Sonst tranken unsere Fürsten miteinander, besoffen sich auch wohl in Poca- len, machten zusammen beym Becher der Freu-
können, wohl zu unterscheiden. Ein Fürst kann sehr höflich, und dabey in hohem Grade falsch seyn; so wie hinwiederum ein anderer kalt, trocken, nichts weniger denn artig, nach Befinden auch wohl grob, und doch nach sei- nem innern Werth ein köstlicher, edler, gülde- ner, in allen seinen Reden und Handlungen wahrhafter Mann seyn kann.
Ohne ein übertriebener Laudator temporis acti zu seyn, so kann man doch mit Wahrheits- Grund sagen: So, wie jezt, war’s vor Zeiten nicht! Die deutsche Treue, Biederkeit, Ehrlich- keit war sonst das höchste Lob eines Fürsten, war sonst eine National-Tugend, gegen über der sonst eben so verschrieenen Gallica fide. Wo ist sie noch zu finden?
Zwar hat der Himmel uns nicht so weit übergeben, Daſs von der alten Zeit nicht theure Reste leben. Haller.
Aber im Ganzen ist nicht nur der Geist von uns gewichen, sondern die Form ist so gar verlo- ren gegangen. Sonst tranken unsere Fürsten miteinander, besoffen sich auch wohl in Poca- len, machten zusammen beym Becher der Freu-
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können, wohl zu unterscheiden. Ein Fürst
kann sehr höflich, und dabey in hohem Grade
falsch seyn; so wie hinwiederum ein anderer
kalt, trocken, nichts weniger denn artig, nach
Befinden auch wohl grob, und doch nach sei-
nem innern Werth ein köstlicher, edler, gülde-
ner, in allen seinen Reden und Handlungen
wahrhafter Mann seyn kann.
Ohne ein übertriebener Laudator temporis
acti zu seyn, so kann man doch mit Wahrheits-
Grund sagen: So, wie jezt, war’s vor Zeiten
nicht! Die deutsche Treue, Biederkeit, Ehrlich-
keit war sonst das höchste Lob eines Fürsten,
war sonst eine National-Tugend, gegen über
der sonst eben so verschrieenen Gallica fide.
Wo ist sie noch zu finden?
Zwar hat der Himmel uns nicht so weit
übergeben,
Daſs von der alten Zeit nicht theure Reste
leben.
Haller.
Aber im Ganzen ist nicht nur der Geist von uns
gewichen, sondern die Form ist so gar verlo-
ren gegangen. Sonst tranken unsere Fürsten
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/139>, abgerufen am 22.11.2024.
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