dorbenen Gebrauch der Welt, weil gut und schwach nur allzuoft miteinander verwechselt werden; weil man einen Fürsten lobt, wie man eine einfältige Frau lobt, dass sie doch gut ge- wachsen sey; weil es höflicher ist, von einem Herrn zu sagen: Dass er ein gutes, ja wohl das beste Herz von der Welt habe, als wenn man von ihm bekennen muss: Dass er ein Schwach- kopf sey, der alles glaubt, was man ihm vor- schwäzt und vorlügt; der alles gehen lässt, wie es geht, wann nur Er damit nicht beunruhiget oder belästiget wird.
Vor dem in hohem und reinem Sinn würk- lich guten Fürsten möchte man stracks hin- knien, und ihn, so sehr er auch noch Mensch wäre, als einen Engel Gottes anbeten. O! möch- ten es doch alle wissen, fühlen und glauben! O! möchten sie doch die Vorzüge, wohl thun zu können, zu ihrer höchsten Fürsten-Lust ma- chen, und reichlich säen, um dereinst um so frölicher zu erndten!
Von dieser Temperaments- oder sogenannten Herzens-Güte ist aber die Mode-Tugend der Artigkeit, Höflichkeit, so genannten Herablas- sung, und wie diese Firniss-Küuste mehr heissen
dorbenen Gebrauch der Welt, weil gut und schwach nur allzuoft miteinander verwechselt werden; weil man einen Fürsten lobt, wie man eine einfältige Frau lobt, daſs sie doch gut ge- wachsen sey; weil es höflicher ist, von einem Herrn zu sagen: Daſs er ein gutes, ja wohl das beste Herz von der Welt habe, als wenn man von ihm bekennen muſs: Daſs er ein Schwach- kopf sey, der alles glaubt, was man ihm vor- schwäzt und vorlügt; der alles gehen läſst, wie es geht, wann nur Er damit nicht beunruhiget oder belästiget wird.
Vor dem in hohem und reinem Sinn würk- lich guten Fürsten möchte man stracks hin- knien, und ihn, so sehr er auch noch Mensch wäre, als einen Engel Gottes anbeten. O! möch- ten es doch alle wissen, fühlen und glauben! O! möchten sie doch die Vorzüge, wohl thun zu können, zu ihrer höchsten Fürsten-Lust ma- chen, und reichlich säen, um dereinst um so frölicher zu erndten!
Von dieser Temperaments- oder sogenannten Herzens-Güte ist aber die Mode-Tugend der Artigkeit, Höflichkeit, so genannten Herablas- sung, und wie diese Firniſs-Küuste mehr heiſsen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0138"n="132"/>
dorbenen Gebrauch der Welt, weil <hirendition="#i"><hirendition="#g">gut</hi></hi> und<lb/><hirendition="#i"><hirendition="#g">schwach</hi></hi> nur allzuoft miteinander verwechselt<lb/>
werden; weil man einen Fürsten lobt, wie man<lb/>
eine einfältige Frau lobt, daſs sie doch gut ge-<lb/>
wachsen sey; weil es höflicher ist, von einem<lb/>
Herrn zu sagen: Daſs er ein gutes, ja wohl<lb/>
das beste Herz von der Welt habe, als wenn<lb/>
man von ihm bekennen muſs: Daſs er ein Schwach-<lb/>
kopf sey, der alles glaubt, was man ihm vor-<lb/>
schwäzt und vorlügt; der alles gehen läſst, wie<lb/>
es geht, wann nur Er damit nicht beunruhiget<lb/>
oder belästiget wird.</p><lb/><p>Vor dem in hohem und reinem Sinn <hirendition="#i"><hirendition="#g">würk-<lb/>
lich guten</hi></hi> Fürsten möchte man stracks hin-<lb/>
knien, und ihn, so sehr er auch noch Mensch<lb/>
wäre, als einen Engel Gottes anbeten. O! möch-<lb/>
ten es doch alle wissen, fühlen und glauben!<lb/>
O! möchten sie doch die Vorzüge, wohl thun<lb/>
zu <hirendition="#i"><hirendition="#g">können</hi>,</hi> zu ihrer höchsten Fürsten-Lust ma-<lb/>
chen, und reichlich säen, um dereinst um so<lb/>
frölicher zu erndten!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Von dieser Temperaments- oder sogenannten<lb/>
Herzens-Güte ist aber die Mode-Tugend der<lb/>
Artigkeit, Höflichkeit, so genannten Herablas-<lb/>
sung, und wie diese Firniſs-Küuste mehr heiſsen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[132/0138]
dorbenen Gebrauch der Welt, weil gut und
schwach nur allzuoft miteinander verwechselt
werden; weil man einen Fürsten lobt, wie man
eine einfältige Frau lobt, daſs sie doch gut ge-
wachsen sey; weil es höflicher ist, von einem
Herrn zu sagen: Daſs er ein gutes, ja wohl
das beste Herz von der Welt habe, als wenn
man von ihm bekennen muſs: Daſs er ein Schwach-
kopf sey, der alles glaubt, was man ihm vor-
schwäzt und vorlügt; der alles gehen läſst, wie
es geht, wann nur Er damit nicht beunruhiget
oder belästiget wird.
Vor dem in hohem und reinem Sinn würk-
lich guten Fürsten möchte man stracks hin-
knien, und ihn, so sehr er auch noch Mensch
wäre, als einen Engel Gottes anbeten. O! möch-
ten es doch alle wissen, fühlen und glauben!
O! möchten sie doch die Vorzüge, wohl thun
zu können, zu ihrer höchsten Fürsten-Lust ma-
chen, und reichlich säen, um dereinst um so
frölicher zu erndten!
Von dieser Temperaments- oder sogenannten
Herzens-Güte ist aber die Mode-Tugend der
Artigkeit, Höflichkeit, so genannten Herablas-
sung, und wie diese Firniſs-Küuste mehr heiſsen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/138>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.