Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Wie froh wollte ich mich über die Unähnlich-
keit dieses Bildes von der Wahrheit selbst lü-
gen strafen lassen; besorglich ist aber die Schil-
derung leider nur allzutreffend.

Tief zu graben und fest zu bauen ist wohl
schon lange her, in keinem Sinn, mehr eine
Sache unserer Fürsten gewesen; schnell nie-
derreissen und eben so flüchtig zu bauen, war
mehr nach ihrem Geschmack. Aber woher,
möchte man fragen, der schleunige Uebergang
der fast unbegreiflichen Fühllosigkeit und Un-
empfindlichkeit so vieler unter ihnen gegen
Lob und Tadel, gegen gute und böse Gerüchte?
Die wahre Ursache liegt ganz nahe: In ihrer
Gottes-Vergessenheit, in der Misskennung ih-
rer Abhängigkeit und Verantwortlichkeit gegen
Gott, in der stolzen Verachtung ihres von Gott,
als seine Stellvertreter, tragenden hohen Amts
und Berufs, kurz in ihrem practischen Un-
glauben, kraft dessen sie in ihrem Herzen
sprechen: Es ist kein Gott! kraft dessen sie
lieber den Staat zu ihrem Götzen machen und
dessen Verwalter seyn, als: Von Gottes Gna-
den, Knechte Gottes, seine Statthalter auf Er-
den seyn und heissen wollen. Und dann wun-

Wie froh wollte ich mich über die Unähnlich-
keit dieses Bildes von der Wahrheit selbst lü-
gen strafen lassen; besorglich ist aber die Schil-
derung leider nur allzutreffend.

Tief zu graben und fest zu bauen ist wohl
schon lange her, in keinem Sinn, mehr eine
Sache unserer Fürsten gewesen; schnell nie-
derreissen und eben so flüchtig zu bauen, war
mehr nach ihrem Geschmack. Aber woher,
möchte man fragen, der schleunige Uebergang
der fast unbegreiflichen Fühllosigkeit und Un-
empfindlichkeit so vieler unter ihnen gegen
Lob und Tadel, gegen gute und böse Gerüchte?
Die wahre Ursache liegt ganz nahe: In ihrer
Gottes-Vergessenheit, in der Miſskennung ih-
rer Abhängigkeit und Verantwortlichkeit gegen
Gott, in der stolzen Verachtung ihres von Gott,
als seine Stellvertreter, tragenden hohen Amts
und Berufs, kurz in ihrem practischen Un-
glauben, kraft dessen sie in ihrem Herzen
sprechen: Es ist kein Gott! kraft dessen sie
lieber den Staat zu ihrem Götzen machen und
dessen Verwalter seyn, als: Von Gottes Gna-
den, Knechte Gottes, seine Statthalter auf Er-
den seyn und heissen wollen. Und dann wun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0129" n="123"/>
          <p>Wie froh wollte ich mich über die Unähnlich-<lb/>
keit dieses Bildes von der Wahrheit selbst lü-<lb/>
gen strafen lassen; besorglich ist aber die Schil-<lb/>
derung leider nur allzutreffend.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Tief</hi></hi> zu graben und <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">fest</hi></hi> zu bauen ist wohl<lb/>
schon lange her, in keinem Sinn, mehr eine<lb/>
Sache unserer Fürsten gewesen; schnell nie-<lb/>
derreissen und eben so flüchtig zu bauen, war<lb/>
mehr nach ihrem Geschmack. Aber woher,<lb/>
möchte man fragen, der schleunige Uebergang<lb/>
der fast unbegreiflichen Fühllosigkeit und Un-<lb/>
empfindlichkeit so vieler unter ihnen gegen<lb/>
Lob und Tadel, gegen gute und böse Gerüchte?<lb/>
Die <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">wahre</hi></hi> Ursache liegt ganz nahe: In ihrer<lb/>
Gottes-Vergessenheit, in der Mi&#x017F;skennung ih-<lb/>
rer Abhängigkeit und Verantwortlichkeit gegen<lb/>
Gott, in der stolzen Verachtung ihres von Gott,<lb/>
als seine Stellvertreter, tragenden hohen Amts<lb/>
und Berufs, kurz in ihrem <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">practischen Un-<lb/>
glauben</hi>,</hi> kraft dessen sie in ihrem Herzen<lb/>
sprechen: Es ist kein Gott! kraft dessen sie<lb/>
lieber den Staat zu ihrem Götzen machen und<lb/>
dessen Verwalter seyn, als: Von Gottes Gna-<lb/>
den, Knechte Gottes, seine Statthalter auf Er-<lb/>
den seyn und heissen wollen. Und dann wun-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0129] Wie froh wollte ich mich über die Unähnlich- keit dieses Bildes von der Wahrheit selbst lü- gen strafen lassen; besorglich ist aber die Schil- derung leider nur allzutreffend. Tief zu graben und fest zu bauen ist wohl schon lange her, in keinem Sinn, mehr eine Sache unserer Fürsten gewesen; schnell nie- derreissen und eben so flüchtig zu bauen, war mehr nach ihrem Geschmack. Aber woher, möchte man fragen, der schleunige Uebergang der fast unbegreiflichen Fühllosigkeit und Un- empfindlichkeit so vieler unter ihnen gegen Lob und Tadel, gegen gute und böse Gerüchte? Die wahre Ursache liegt ganz nahe: In ihrer Gottes-Vergessenheit, in der Miſskennung ih- rer Abhängigkeit und Verantwortlichkeit gegen Gott, in der stolzen Verachtung ihres von Gott, als seine Stellvertreter, tragenden hohen Amts und Berufs, kurz in ihrem practischen Un- glauben, kraft dessen sie in ihrem Herzen sprechen: Es ist kein Gott! kraft dessen sie lieber den Staat zu ihrem Götzen machen und dessen Verwalter seyn, als: Von Gottes Gna- den, Knechte Gottes, seine Statthalter auf Er- den seyn und heissen wollen. Und dann wun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/129
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/129>, abgerufen am 22.11.2024.