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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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stät. Der Kayser: Was ist an ihm? Antw. Es
ist ein sehr mittelmässiger Kopf. Kayser Joseph:
Dachte ich's doch; wann er was nutz wäre,
würde man ihn nicht so gegen mich gelobt,
sondern ihn selbst behalten haben.

So betrügen die Fürsten sich selbst unter ein-
ander!


Beym Loben kommt es viel auf den Natio-
nal-Character
und Regierungs-Verfas-
sung
an.

Von den Franzosen, dieweil sie noch einen
König hatten, war man das unmässige Loben
ihrer selbst und die Verachtung anderer Natio-
nen gewohnt.

Die Preussen folgten unter ihrem grossen, ver-
götterten und siegreichen König Friedrich II.
diesem Beyspiel nach, und seitdem ist es Na-
tional-Sitte geworden.

In Wien fragte mich einst eine Frau von ho-
hem Rang: Warum wir so genannte Reicher
die Wiener immer beschuldigen, dass sie so
stolz seyn? Meine Antwort war: Weil der
Reichsunmittelbare Hochmuth den Landsässigen
Hochmuth nicht vertragen kann.

Ich

stät. Der Kayser: Was ist an ihm? Antw. Es
ist ein sehr mittelmäſsiger Kopf. Kayser Joseph:
Dachte ich’s doch; wann er was nutz wäre,
würde man ihn nicht so gegen mich gelobt,
sondern ihn selbst behalten haben.

So betrügen die Fürsten sich selbst unter ein-
ander!


Beym Loben kommt es viel auf den Natio-
nal-Character
und Regierungs-Verfas-
sung
an.

Von den Franzosen, dieweil sie noch einen
König hatten, war man das unmäſsige Loben
ihrer selbst und die Verachtung anderer Natio-
nen gewohnt.

Die Preussen folgten unter ihrem groſsen, ver-
götterten und siegreichen König Friedrich II.
diesem Beyspiel nach, und seitdem ist es Na-
tional-Sitte geworden.

In Wien fragte mich einst eine Frau von ho-
hem Rang: Warum wir so genannte Reicher
die Wiener immer beschuldigen, daſs sie so
stolz seyn? Meine Antwort war: Weil der
Reichsunmittelbare Hochmuth den Landsäſsigen
Hochmuth nicht vertragen kann.

Ich
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[96/0102] stät. Der Kayser: Was ist an ihm? Antw. Es ist ein sehr mittelmäſsiger Kopf. Kayser Joseph: Dachte ich’s doch; wann er was nutz wäre, würde man ihn nicht so gegen mich gelobt, sondern ihn selbst behalten haben. So betrügen die Fürsten sich selbst unter ein- ander! Beym Loben kommt es viel auf den Natio- nal-Character und Regierungs-Verfas- sung an. Von den Franzosen, dieweil sie noch einen König hatten, war man das unmäſsige Loben ihrer selbst und die Verachtung anderer Natio- nen gewohnt. Die Preussen folgten unter ihrem groſsen, ver- götterten und siegreichen König Friedrich II. diesem Beyspiel nach, und seitdem ist es Na- tional-Sitte geworden. In Wien fragte mich einst eine Frau von ho- hem Rang: Warum wir so genannte Reicher die Wiener immer beschuldigen, daſs sie so stolz seyn? Meine Antwort war: Weil der Reichsunmittelbare Hochmuth den Landsäſsigen Hochmuth nicht vertragen kann. Ich

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/102>, abgerufen am 22.11.2024.