auf die Virtu, auf die persönliche Tugend des Regenten ankommt und von derselben der gan- ze Ton der Regierung, die Handels-Weise und Berathung des Ober- und Unter-Ministers, die ganze Behandlung des Volks u. s w. abhängt, so ist der in dieser Persönlichkeit liegende Trost freylich sehr wandelbar und vergänglich. Es bleibt aber dabey: Ein guter König, wenn er auch von seinem Volk gar nicht bewundert, ja nicht einmal nach Würden geschäzt würde, ist immer mehr werth, als ein grosser König, wenn er auch der Einzige in seiner Gattung wäre. Der ehrwürdige Gross-Kanzler vonCar- mer mag sich's ganz gut bewusst gewesen seyn, warum er seinen jezigen König und nicht Friedrich den Grossen wegen seines rühm- lichen Hasses gegen allen Despotismus gelobt hat; dieser leztere würde es für Satyre gehalten haben. Ob, und wie lange aber Fried- rich Wilhelm II. jenes herrliche Lob stets ver- dienen wird? mag die Zeit lehren; dann Fried- rich II. liess im Jahr 1740. in den ersten Tagen seiner neuangetretenen Regierung, die merk- würdige Worte offentlich bekannt machen: "Ich will, dass künftig, wofern etwan mein
E
auf die Virtù, auf die persönliche Tugend des Regenten ankommt und von derselben der gan- ze Ton der Regierung, die Handels-Weise und Berathung des Ober- und Unter-Ministers, die ganze Behandlung des Volks u. s w. abhängt, so ist der in dieser Persönlichkeit liegende Trost freylich sehr wandelbar und vergänglich. Es bleibt aber dabey: Ein guter König, wenn er auch von seinem Volk gar nicht bewundert, ja nicht einmal nach Würden geschäzt würde, ist immer mehr werth, als ein groſser König, wenn er auch der Einzige in seiner Gattung wäre. Der ehrwürdige Groſs-Kanzler vonCar- mer mag sich’s ganz gut bewuſst gewesen seyn, warum er seinen jezigen König und nicht Friedrich den Groſsen wegen seines rühm- lichen Hasses gegen allen Despotismus gelobt hat; dieser leztere würde es für Satyre gehalten haben. Ob, und wie lange aber Fried- rich Wilhelm II. jenes herrliche Lob stets ver- dienen wird? mag die Zeit lehren; dann Fried- rich II. lieſs im Jahr 1740. in den ersten Tagen seiner neuangetretenen Regierung, die merk- würdige Worte offentlich bekannt machen: „Ich will, daſs künftig, wofern etwan mein
E
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0071"n="65"/>
auf die <hirendition="#g">Virtù</hi>, auf die persönliche Tugend des<lb/>
Regenten ankommt und von derselben der gan-<lb/>
ze Ton der Regierung, die Handels-Weise und<lb/>
Berathung des Ober- und Unter-Ministers, die<lb/>
ganze Behandlung des Volks u. s w. abhängt,<lb/>
so ist der in dieser Persönlichkeit liegende<lb/>
Trost freylich sehr wandelbar und vergänglich.<lb/>
Es bleibt aber dabey: Ein <hirendition="#i"><hirendition="#g">guter</hi></hi> König, wenn<lb/>
er auch von seinem Volk gar nicht bewundert,<lb/>
ja nicht einmal nach Würden geschäzt würde,<lb/>
ist immer mehr werth, als ein <hirendition="#i"><hirendition="#g">groſser</hi></hi> König,<lb/>
wenn er auch der <hirendition="#i"><hirendition="#g">Einzige</hi></hi> in seiner Gattung<lb/>
wäre. Der ehrwürdige Groſs-Kanzler <hirendition="#g">von</hi><hirendition="#i"><hirendition="#g">Car-<lb/>
mer</hi></hi> mag sich’s ganz gut bewuſst gewesen<lb/>
seyn, warum er seinen jezigen König und nicht<lb/>
Friedrich den Groſsen wegen <hirendition="#i"><hirendition="#g">seines rühm-<lb/>
lichen Hasses gegen allen Despotismus</hi></hi><lb/>
gelobt hat; dieser leztere würde es für Satyre<lb/>
gehalten haben. Ob, und wie lange aber Fried-<lb/>
rich Wilhelm II. jenes herrliche Lob stets ver-<lb/>
dienen wird? mag die Zeit lehren; dann Fried-<lb/>
rich II. lieſs im Jahr 1740. in den ersten Tagen<lb/>
seiner neuangetretenen Regierung, die merk-<lb/>
würdige Worte <hirendition="#i"><hirendition="#g">offentlich</hi></hi> bekannt machen:<lb/>„Ich will, daſs künftig, wofern etwan mein<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[65/0071]
auf die Virtù, auf die persönliche Tugend des
Regenten ankommt und von derselben der gan-
ze Ton der Regierung, die Handels-Weise und
Berathung des Ober- und Unter-Ministers, die
ganze Behandlung des Volks u. s w. abhängt,
so ist der in dieser Persönlichkeit liegende
Trost freylich sehr wandelbar und vergänglich.
Es bleibt aber dabey: Ein guter König, wenn
er auch von seinem Volk gar nicht bewundert,
ja nicht einmal nach Würden geschäzt würde,
ist immer mehr werth, als ein groſser König,
wenn er auch der Einzige in seiner Gattung
wäre. Der ehrwürdige Groſs-Kanzler von Car-
mer mag sich’s ganz gut bewuſst gewesen
seyn, warum er seinen jezigen König und nicht
Friedrich den Groſsen wegen seines rühm-
lichen Hasses gegen allen Despotismus
gelobt hat; dieser leztere würde es für Satyre
gehalten haben. Ob, und wie lange aber Fried-
rich Wilhelm II. jenes herrliche Lob stets ver-
dienen wird? mag die Zeit lehren; dann Fried-
rich II. lieſs im Jahr 1740. in den ersten Tagen
seiner neuangetretenen Regierung, die merk-
würdige Worte offentlich bekannt machen:
„Ich will, daſs künftig, wofern etwan mein
E
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/71>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.