Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

"Im Grunde" (hatte Wieland *) gesagt)
"ist's für ihn (den Unterthanen) einerley, ob
der Oberherr, der ihm gegeben wird, dazu
gebohren oder erwählt seye. So bald er nur
einen Reuter auf seinem Rücken fühlt, der sei-
ner mächtig ist, so giebt er sich zufrieden,
folgt dem Zügel und duldet den Sporn. -- Wohl
dem gemeinen Manne, dem kein Stephanus
Junius Brutus
,
kein Milton, kein Alger-
non Sidney
,
keine Cato's Briefe diss treu-
herzige Gefühl wegphilosophirt haben! Er nimmt
seine Regenten, gut oder schlimm, als ihm von
Gott gegeben
an, und ein böser Herr müsste
beynahe der Dedgial (Teufel) selbst seyn, bis
dem Volk einfiele, die Frage aufzuwerfen: Ob
es auch wohl schuldig sey, alles von ihm zu
leiden? -- So fern ihm nur erlaubt ist, über
die eine und andere dieser regierenden Mächte
zu murren, wenn sie's ihm nicht nach seinem
Sinn und Bedürfniss machen; so fällt ihm nicht
ein, sich gegen sie aufzulehnen, und ein ei-
niger Sonnenblick ist wieder hinreichend ihn
zufrieden und guten Muths zu machen."

*) In dem göttlichen Recht der Obrigkeit, im deutschen
Merkur 1777. Nov. S. 134.

„Im Grunde„ (hatte Wieland *) gesagt)
„ist’s für ihn (den Unterthanen) einerley, ob
der Oberherr, der ihm gegeben wird, dazu
gebohren oder erwählt seye. So bald er nur
einen Reuter auf seinem Rücken fühlt, der sei-
ner mächtig ist, so giebt er sich zufrieden,
folgt dem Zügel und duldet den Sporn. — Wohl
dem gemeinen Manne, dem kein Stephanus
Junius Brutus
,
kein Milton, kein Alger-
non Sidney
,
keine Cato’s Briefe diſs treu-
herzige Gefühl wegphilosophirt haben! Er nimmt
seine Regenten, gut oder schlimm, als ihm von
Gott gegeben
an, und ein böser Herr müſste
beynahe der Dedgial (Teufel) selbst seyn, bis
dem Volk einfiele, die Frage aufzuwerfen: Ob
es auch wohl schuldig sey, alles von ihm zu
leiden? — So fern ihm nur erlaubt ist, über
die eine und andere dieser regierenden Mächte
zu murren, wenn sie’s ihm nicht nach seinem
Sinn und Bedürfniſs machen; so fällt ihm nicht
ein, sich gegen sie aufzulehnen, und ein ei-
niger Sonnenblick ist wieder hinreichend ihn
zufrieden und guten Muths zu machen.„

*) In dem göttlichen Recht der Obrigkeit, im deutschen
Merkur 1777. Nov. S. 134.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0057" n="51"/>
          <p>&#x201E;Im Grunde&#x201E; (hatte <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Wieland</hi></hi> <note place="foot" n="*)">In dem göttlichen Recht der Obrigkeit, im deutschen<lb/>
Merkur 1777. Nov. S. 134.</note> gesagt)<lb/>
&#x201E;ist&#x2019;s für ihn (den Unterthanen) einerley, ob<lb/>
der Oberherr, der ihm gegeben wird, dazu<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">gebohren</hi></hi> oder <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">erwählt</hi></hi> seye. So bald er nur<lb/>
einen Reuter auf seinem Rücken fühlt, der sei-<lb/>
ner mächtig ist, so giebt er sich zufrieden,<lb/>
folgt dem Zügel und duldet den Sporn. &#x2014; Wohl<lb/>
dem gemeinen Manne, dem kein <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Stephanus<lb/>
Junius Brutus</hi>,</hi> kein <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Milton</hi>,</hi> kein <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Alger-<lb/>
non Sidney</hi>,</hi> keine <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Cato&#x2019;s Briefe</hi></hi> di&#x017F;s treu-<lb/>
herzige Gefühl wegphilosophirt haben! Er nimmt<lb/>
seine Regenten, gut oder schlimm, als ihm <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">von<lb/>
Gott gegeben</hi></hi> an, und ein böser Herr mü&#x017F;ste<lb/>
beynahe der <hi rendition="#i">Dedgial</hi> (Teufel) selbst seyn, bis<lb/>
dem Volk einfiele, die Frage aufzuwerfen: Ob<lb/>
es <choice><sic>aueh</sic><corr>auch</corr></choice> wohl schuldig sey, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">alles</hi></hi> von ihm zu<lb/>
leiden? &#x2014; So fern ihm nur erlaubt ist, über<lb/>
die eine und andere dieser regierenden Mächte<lb/>
zu <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">murren</hi>,</hi> wenn sie&#x2019;s ihm nicht nach seinem<lb/>
Sinn und Bedürfni&#x017F;s machen; so fällt ihm nicht<lb/>
ein, sich gegen sie <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">aufzulehnen</hi>,</hi> und ein ei-<lb/>
niger Sonnenblick ist wieder hinreichend ihn<lb/>
zufrieden und guten Muths zu machen.&#x201E;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0057] „Im Grunde„ (hatte Wieland *) gesagt) „ist’s für ihn (den Unterthanen) einerley, ob der Oberherr, der ihm gegeben wird, dazu gebohren oder erwählt seye. So bald er nur einen Reuter auf seinem Rücken fühlt, der sei- ner mächtig ist, so giebt er sich zufrieden, folgt dem Zügel und duldet den Sporn. — Wohl dem gemeinen Manne, dem kein Stephanus Junius Brutus, kein Milton, kein Alger- non Sidney, keine Cato’s Briefe diſs treu- herzige Gefühl wegphilosophirt haben! Er nimmt seine Regenten, gut oder schlimm, als ihm von Gott gegeben an, und ein böser Herr müſste beynahe der Dedgial (Teufel) selbst seyn, bis dem Volk einfiele, die Frage aufzuwerfen: Ob es auch wohl schuldig sey, alles von ihm zu leiden? — So fern ihm nur erlaubt ist, über die eine und andere dieser regierenden Mächte zu murren, wenn sie’s ihm nicht nach seinem Sinn und Bedürfniſs machen; so fällt ihm nicht ein, sich gegen sie aufzulehnen, und ein ei- niger Sonnenblick ist wieder hinreichend ihn zufrieden und guten Muths zu machen.„ *) In dem göttlichen Recht der Obrigkeit, im deutschen Merkur 1777. Nov. S. 134.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/57
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/57>, abgerufen am 23.11.2024.