Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn man in dem Leben der grossen Welt,
in dem Umgang mit Königen und Fürsten, in
ihren Reden, Briefen und Schriften so oft die
Worte hört und liest: Ich fühle meine Ge-
burt; es ist unter meiner Würde
;
wenn man
sie von dem Blut, aus dem sie entsprossen,
mit dem höchsten Grad von Selbstsucht spre-
chen, von einer besondern Menschen-Classe,
genannt Prinzen vom Geblüt, reden hört;
wenn man aus dem Munde und Feder ihrer Lob-
redner, Augendiener und Schmeichler in Cabine-
ten, Canzleyen, Canzeln und Cathedern gleiche
Sprache anhören, in den Kirchen die Fürbitte vor
den oft notorisch bösen oder einfältigen Herrn mit-
beten muss: Gott soll ihm fürstliche Gedan-
ken
geben; und was der Erscheinungen dieser
Art mehrere sind, so wird man, wie gezwun-
gen auf das weitere Nachdenken geleitet: Woher
diese hohe Selbst-Gefühle rühren? Wie vie-
les davon eigene Empfindung, Selbst-Betrug,


Wenn man in dem Leben der groſsen Welt,
in dem Umgang mit Königen und Fürsten, in
ihren Reden, Briefen und Schriften so oft die
Worte hört und liest: Ich fühle meine Ge-
burt; es ist unter meiner Würde
;
wenn man
sie von dem Blut, aus dem sie entsprossen,
mit dem höchsten Grad von Selbstsucht spre-
chen, von einer besondern Menschen-Classe,
genannt Prinzen vom Geblüt, reden hört;
wenn man aus dem Munde und Feder ihrer Lob-
redner, Augendiener und Schmeichler in Cabine-
ten, Canzleyen, Canzeln und Cathedern gleiche
Sprache anhören, in den Kirchen die Fürbitte vor
den oft notorisch bösen oder einfältigen Herrn mit-
beten muſs: Gott soll ihm fürstliche Gedan-
ken
geben; und was der Erscheinungen dieser
Art mehrere sind, so wird man, wie gezwun-
gen auf das weitere Nachdenken geleitet: Woher
diese hohe Selbst-Gefühle rühren? Wie vie-
les davon eigene Empfindung, Selbst-Betrug,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0137" n="[131]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>enn man in dem Leben der gro&#x017F;sen Welt,<lb/>
in dem Umgang mit Königen und Fürsten, in<lb/>
ihren Reden, Briefen und Schriften so oft die<lb/>
Worte hört und liest: <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Ich fühle meine Ge-<lb/>
burt; es ist unter meiner Würde</hi>;</hi> wenn man<lb/>
sie von dem <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Blut</hi>,</hi> aus dem sie entsprossen,<lb/>
mit dem höchsten Grad von Selbstsucht spre-<lb/>
chen, von einer besondern Menschen-Classe,<lb/>
genannt <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Prinzen vom Geblüt</hi>,</hi> reden hört;<lb/>
wenn man aus dem Munde und Feder ihrer Lob-<lb/>
redner, Augendiener und Schmeichler in Cabine-<lb/>
ten, Canzleyen, Canzeln und Cathedern gleiche<lb/>
Sprache anhören, in den Kirchen die Fürbitte vor<lb/>
den oft notorisch bösen oder einfältigen Herrn mit-<lb/>
beten mu&#x017F;s: Gott soll ihm <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">fürstliche Gedan-<lb/>
ken</hi></hi> geben; und was der Erscheinungen dieser<lb/>
Art mehrere sind, so wird man, wie gezwun-<lb/>
gen auf das weitere Nachdenken geleitet: Woher<lb/>
diese hohe <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Selbst-Gefühle</hi></hi> rühren? Wie vie-<lb/>
les davon eigene Empfindung, Selbst-Betrug,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[131]/0137] Wenn man in dem Leben der groſsen Welt, in dem Umgang mit Königen und Fürsten, in ihren Reden, Briefen und Schriften so oft die Worte hört und liest: Ich fühle meine Ge- burt; es ist unter meiner Würde; wenn man sie von dem Blut, aus dem sie entsprossen, mit dem höchsten Grad von Selbstsucht spre- chen, von einer besondern Menschen-Classe, genannt Prinzen vom Geblüt, reden hört; wenn man aus dem Munde und Feder ihrer Lob- redner, Augendiener und Schmeichler in Cabine- ten, Canzleyen, Canzeln und Cathedern gleiche Sprache anhören, in den Kirchen die Fürbitte vor den oft notorisch bösen oder einfältigen Herrn mit- beten muſs: Gott soll ihm fürstliche Gedan- ken geben; und was der Erscheinungen dieser Art mehrere sind, so wird man, wie gezwun- gen auf das weitere Nachdenken geleitet: Woher diese hohe Selbst-Gefühle rühren? Wie vie- les davon eigene Empfindung, Selbst-Betrug,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/137
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. [131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/137>, abgerufen am 27.11.2024.