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Moser, Johann Jacob: Abgenöthigte Beleuchtung der Ignorantz und vielfältigen Unwahrheiten. [s. l.], 1731.

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2. Beliebe der Leser zu bedencken/ daß auch noch vorhero/ ehe der Bischoff
Walbertus die Stiffts-Güter mit dem Capitul abgetheilt hat/ erstgedachtem
Capitel/ nach denen Canonibus nohtwendig quarta pars redituum gebühret;
wer hat nun diese damahlen verwaltet? Die Bischöffe administrirten zwar
freilich damahlen die gesammte Stiffts-Güter und deren Revenuen, so lange/
bis diese eingebracht waren/ wann aber dieses geschehen und das Capitul sei-
nen vierten Theil davon empfangen hatte/ nahme sich der Bischoff dessen ge-
wißlich so wenig weiter an/ so wenig ein Abbt (zum wenigsten an zerschiede-
den Orten) für die seinem Convent zugehörige Früchten/ Wein u. d. besorgt ist/
so muste also auch schon damahlen unumgänglich jemand aus dem Capitul
selbsten die Administration über diesen des Dom-Capituls Theil haben/ wie
dann auch der Gegner bey denen/ welche die Alterthümer derer Stiffter und
Klöster untersucht haben/ noch auch sonstenwo das geringste finden wird/ so
ihme in seiner Meinung favorisirte oder der bisherigen Deduction entgegen
stünde. Ob aber diese Administratores der Dom-Capitularischen Revenuen
gleichbalden von Anfang allenthalben den Namen Pröbste geführet/ oder ob
sie nach dem alten stylo Oeconomi oder auch Vice-Domini oder noch anderst
genennet worden seyen/ darüber will man zwar mit dem Gegner nicht streit-
ten/ indeme es genug ist/ daß die Sache selbst vorhanden und liquid ist/ doch
ist probabel, daß bey dem Hoch-Stifft Hildesheim gleich Anfangs auch der
Name Probst werde bekannt gewesen seyn/ weilen aus denen oben angeführ-
ten Conciliis erhellet/ daß zur Zeit der Stifftung dieses Bisthums der Name
Probst schon durchgehends sonderlich auch zu Rheims bekannt und recipirt
gewesen ist. Es ist also nichts übrig/ als zu sehen/ was dann mit denen von
dem Gegner angeführten Hildesheimischen Chroniquen zu machen seye/ wel-
che bezeugen: Walbertum instituisse Praeposituram. Man verhoffet aber dis-
seits gäntzlich/ aller vernünfftigen Leser Approbation zu erhalten/ wann man
bey obigen ohnwidersprechlich- und ohnwiderleglichen Umständen und Consi-
deration
en glaubet: diese Worte seyen cum grano salis anzunehmen und so
zu verstehen: nicht daß Walbertus die Probsten ursprünglich eingesetzet/ son-
dern daß er solche nur in eine andere und die jetzige Form gebracht habe. Dann
weil das Capitul nunmehro nicht nur die würcklich eingebrachte Revenuen
mit dem Bischoff zu theilen und ihre Portion so dann weiter zu administriren
hatte/ sondern jetzo den dritten Theil der Stiffts-Güter eigenthümlich überka-
me und also für deren Oeconomie so wohl/ als für die Administrationem Ju-
stitiae,
und zwar für die Oeconomie auf eine gantz andere Art als vorhin sor-
gen muste/ so änderte sich freilich dadurch das Officium eines Probsts in sehr
vielen Stucken und er bekame nicht nur in Oeconomicis weit mehrere Macht/
Obsicht/ Mühe/ Verwaltung und freyere Hände/ sondern er wurde auch Ge-
richts-Herr über die Dom-Capitularische Güter/ folglich und weilen ohnfehl-
bahr zugleich damahlen durch einen Vergleich zwischen dem Bischoff und Dom-
Capitul wird festgestellet und verabredet worden seyn/ wie sich der Dom-Probst
in diesem seinem Amt zu betragen habe/ so konnte man auch in seiner Art wohl
sagen/ daß man die Dom-Probstey damahlen instituiret habe. Daß auch die
Autores derer alten Hildesheimischen Chronicorum damit in der That nichts
anders haben sagen wollen/ erhellet offenbahrlich daraus/ weil sie gleich beyse-
tzen: eben dieser Bischoff habe damahlen auch die Praebendas Fratrum (oder
der Canonicorum) instituiret. Soll nun instituere so viel heissen/ als zuerst
anordnen/ so müste man supponiren: die Canonici haben vorhero von der Lufft
gelebt. Man kan auch eben so wenig diesen Worten den Verstand andichten:
als ob dieser Bischoff damahlen jedem Canonico ins besondere seine Pfründe
angewisen habe/ dann der Gegner gestehet selbst/ daß die Canonici zu Hildes-

heim
C

2. Beliebe der Leſer zu bedencken/ daß auch noch vorhero/ ehe der Biſchoff
Walbertus die Stiffts-Guͤter mit dem Capitul abgetheilt hat/ erſtgedachtem
Capitel/ nach denen Canonibus nohtwendig quarta pars redituum gebuͤhret;
wer hat nun dieſe damahlen verwaltet? Die Biſchoͤffe adminiſtrirten zwar
freilich damahlen die geſammte Stiffts-Guͤter und deren Revenuen, ſo lange/
bis dieſe eingebracht waren/ wann aber dieſes geſchehen und das Capitul ſei-
nen vierten Theil davon empfangen hatte/ nahme ſich der Biſchoff deſſen ge-
wißlich ſo wenig weiter an/ ſo wenig ein Abbt (zum wenigſten an zerſchiede-
den Orten) fuͤr die ſeinem Convent zugehoͤrige Fruͤchten/ Wein u. d. beſorgt iſt/
ſo muſte alſo auch ſchon damahlen unumgaͤnglich jemand aus dem Capitul
ſelbſten die Adminiſtration uͤber dieſen des Dom-Capituls Theil haben/ wie
dann auch der Gegner bey denen/ welche die Alterthuͤmer derer Stiffter und
Kloͤſter unterſucht haben/ noch auch ſonſtenwo das geringſte finden wird/ ſo
ihme in ſeiner Meinung favoriſirte oder der bisherigen Deduction entgegen
ſtuͤnde. Ob aber dieſe Adminiſtratores der Dom-Capitulariſchen Revenuen
gleichbalden von Anfang allenthalben den Namen Proͤbſte gefuͤhret/ oder ob
ſie nach dem alten ſtylo Oeconomi oder auch Vice-Domini oder noch anderſt
genennet worden ſeyen/ daruͤber will man zwar mit dem Gegner nicht ſtreit-
ten/ indeme es genug iſt/ daß die Sache ſelbſt vorhanden und liquid iſt/ doch
iſt probabel, daß bey dem Hoch-Stifft Hildesheim gleich Anfangs auch der
Name Probſt werde bekannt geweſen ſeyn/ weilen aus denen oben angefuͤhr-
ten Conciliis erhellet/ daß zur Zeit der Stifftung dieſes Biſthums der Name
Probſt ſchon durchgehends ſonderlich auch zu Rheims bekannt und recipirt
geweſen iſt. Es iſt alſo nichts uͤbrig/ als zu ſehen/ was dann mit denen von
dem Gegner angefuͤhrten Hildesheimiſchen Chroniquen zu machen ſeye/ wel-
che bezeugen: Walbertum inſtituiſſe Præpoſituram. Man verhoffet aber diſ-
ſeits gaͤntzlich/ aller vernuͤnfftigen Leſer Approbation zu erhalten/ wann man
bey obigen ohnwiderſprechlich- und ohnwiderleglichen Umſtaͤnden und Conſi-
deration
en glaubet: dieſe Worte ſeyen cum grano ſalis anzunehmen und ſo
zu verſtehen: nicht daß Walbertus die Probſten urſpruͤnglich eingeſetzet/ ſon-
dern daß er ſolche nur in eine andere und die jetzige Form gebracht habe. Dañ
weil das Capitul nunmehro nicht nur die wuͤrcklich eingebrachte Revenuen
mit dem Biſchoff zu theilen und ihre Portion ſo dann weiter zu adminiſtriren
hatte/ ſondern jetzo den dritten Theil der Stiffts-Guͤter eigenthuͤmlich uͤberka-
me und alſo fuͤr deren Oeconomie ſo wohl/ als fuͤr die Adminiſtrationem Ju-
ſtitiæ,
und zwar fuͤr die Oeconomie auf eine gantz andere Art als vorhin ſor-
gen muſte/ ſo aͤnderte ſich freilich dadurch das Officium eines Probſts in ſehr
vielen Stucken und er bekame nicht nur in Oeconomicis weit mehrere Macht/
Obſicht/ Muͤhe/ Verwaltung und freyere Haͤnde/ ſondern er wurde auch Ge-
richts-Herr uͤber die Dom-Capitulariſche Guͤter/ folglich und weilen ohnfehl-
bahr zugleich damahlen durch einen Vergleich zwiſchen dem Biſchoff und Dom-
Capitul wird feſtgeſtellet und verabredet worden ſeyn/ wie ſich der Dom-Probſt
in dieſem ſeinem Amt zu betragen habe/ ſo konnte man auch in ſeiner Art wohl
ſagen/ daß man die Dom-Probſtey damahlen inſtituiret habe. Daß auch die
Autores derer alten Hildesheimiſchen Chronicorum damit in der That nichts
anders haben ſagen wollen/ erhellet offenbahrlich daraus/ weil ſie gleich beyſe-
tzen: eben dieſer Biſchoff habe damahlen auch die Præbendas Fratrum (oder
der Canonicorum) inſtituiret. Soll nun inſtituere ſo viel heiſſen/ als zuerſt
anordnen/ ſo muͤſte man ſupponiren: die Canonici haben vorhero von der Lufft
gelebt. Man kan auch eben ſo wenig dieſen Worten den Verſtand andichten:
als ob dieſer Biſchoff damahlen jedem Canonico ins beſondere ſeine Pfruͤnde
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[9/0011] 2. Beliebe der Leſer zu bedencken/ daß auch noch vorhero/ ehe der Biſchoff Walbertus die Stiffts-Guͤter mit dem Capitul abgetheilt hat/ erſtgedachtem Capitel/ nach denen Canonibus nohtwendig quarta pars redituum gebuͤhret; wer hat nun dieſe damahlen verwaltet? Die Biſchoͤffe adminiſtrirten zwar freilich damahlen die geſammte Stiffts-Guͤter und deren Revenuen, ſo lange/ bis dieſe eingebracht waren/ wann aber dieſes geſchehen und das Capitul ſei- nen vierten Theil davon empfangen hatte/ nahme ſich der Biſchoff deſſen ge- wißlich ſo wenig weiter an/ ſo wenig ein Abbt (zum wenigſten an zerſchiede- den Orten) fuͤr die ſeinem Convent zugehoͤrige Fruͤchten/ Wein u. d. beſorgt iſt/ ſo muſte alſo auch ſchon damahlen unumgaͤnglich jemand aus dem Capitul ſelbſten die Adminiſtration uͤber dieſen des Dom-Capituls Theil haben/ wie dann auch der Gegner bey denen/ welche die Alterthuͤmer derer Stiffter und Kloͤſter unterſucht haben/ noch auch ſonſtenwo das geringſte finden wird/ ſo ihme in ſeiner Meinung favoriſirte oder der bisherigen Deduction entgegen ſtuͤnde. Ob aber dieſe Adminiſtratores der Dom-Capitulariſchen Revenuen gleichbalden von Anfang allenthalben den Namen Proͤbſte gefuͤhret/ oder ob ſie nach dem alten ſtylo Oeconomi oder auch Vice-Domini oder noch anderſt genennet worden ſeyen/ daruͤber will man zwar mit dem Gegner nicht ſtreit- ten/ indeme es genug iſt/ daß die Sache ſelbſt vorhanden und liquid iſt/ doch iſt probabel, daß bey dem Hoch-Stifft Hildesheim gleich Anfangs auch der Name Probſt werde bekannt geweſen ſeyn/ weilen aus denen oben angefuͤhr- ten Conciliis erhellet/ daß zur Zeit der Stifftung dieſes Biſthums der Name Probſt ſchon durchgehends ſonderlich auch zu Rheims bekannt und recipirt geweſen iſt. Es iſt alſo nichts uͤbrig/ als zu ſehen/ was dann mit denen von dem Gegner angefuͤhrten Hildesheimiſchen Chroniquen zu machen ſeye/ wel- che bezeugen: Walbertum inſtituiſſe Præpoſituram. Man verhoffet aber diſ- ſeits gaͤntzlich/ aller vernuͤnfftigen Leſer Approbation zu erhalten/ wann man bey obigen ohnwiderſprechlich- und ohnwiderleglichen Umſtaͤnden und Conſi- derationen glaubet: dieſe Worte ſeyen cum grano ſalis anzunehmen und ſo zu verſtehen: nicht daß Walbertus die Probſten urſpruͤnglich eingeſetzet/ ſon- dern daß er ſolche nur in eine andere und die jetzige Form gebracht habe. Dañ weil das Capitul nunmehro nicht nur die wuͤrcklich eingebrachte Revenuen mit dem Biſchoff zu theilen und ihre Portion ſo dann weiter zu adminiſtriren hatte/ ſondern jetzo den dritten Theil der Stiffts-Guͤter eigenthuͤmlich uͤberka- me und alſo fuͤr deren Oeconomie ſo wohl/ als fuͤr die Adminiſtrationem Ju- ſtitiæ, und zwar fuͤr die Oeconomie auf eine gantz andere Art als vorhin ſor- gen muſte/ ſo aͤnderte ſich freilich dadurch das Officium eines Probſts in ſehr vielen Stucken und er bekame nicht nur in Oeconomicis weit mehrere Macht/ Obſicht/ Muͤhe/ Verwaltung und freyere Haͤnde/ ſondern er wurde auch Ge- richts-Herr uͤber die Dom-Capitulariſche Guͤter/ folglich und weilen ohnfehl- bahr zugleich damahlen durch einen Vergleich zwiſchen dem Biſchoff und Dom- Capitul wird feſtgeſtellet und verabredet worden ſeyn/ wie ſich der Dom-Probſt in dieſem ſeinem Amt zu betragen habe/ ſo konnte man auch in ſeiner Art wohl ſagen/ daß man die Dom-Probſtey damahlen inſtituiret habe. Daß auch die Autores derer alten Hildesheimiſchen Chronicorum damit in der That nichts anders haben ſagen wollen/ erhellet offenbahrlich daraus/ weil ſie gleich beyſe- tzen: eben dieſer Biſchoff habe damahlen auch die Præbendas Fratrum (oder der Canonicorum) inſtituiret. Soll nun inſtituere ſo viel heiſſen/ als zuerſt anordnen/ ſo muͤſte man ſupponiren: die Canonici haben vorhero von der Lufft gelebt. Man kan auch eben ſo wenig dieſen Worten den Verſtand andichten: als ob dieſer Biſchoff damahlen jedem Canonico ins beſondere ſeine Pfruͤnde angewiſen habe/ dann der Gegner geſtehet ſelbſt/ daß die Canonici zu Hildes- heim C

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Zitationshilfe: Moser, Johann Jacob: Abgenöthigte Beleuchtung der Ignorantz und vielfältigen Unwahrheiten. [s. l.], 1731, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_beleuchtung_1731/11>, abgerufen am 21.11.2024.