den andern an seinem Schicksal liegt; und sein Freund mit der Hutkokarde stand wieder vor sei¬ ner Seele da. Weswegen putzte aber jener seine Hutkokarde, als um seinem Mädgen, der Ein¬ zigen zu gefallen, die damals seine Göttin war, in der er sich wiederfinden, und wieder von ihr geliebt seyn wollte.
Das Schauspiel endigte sich froh, die Un¬ glücklichen wurden getröstet, das Weinen ver¬ wandelte sich in Lachen, das Trauren in Frö¬ lichkeit -- aber betrübt und mit schwerem Herzen ging Reiser in seine Wohnung -- vor ihm war alles dunkel, und er sahe nun keinen Strahl von Hoffnung mehr.
Als er zu Hause kam, legte er sich sogleich zu Bette -- seine Sinne waren stumpf -- seine Gedanken wußten keinen Ausweg mehr zu fin¬ den -- und der Schlaf war das einzige, was ihm übrig blieb -- Es war ihm, als ob er aus die¬ sem Schlafe nicht wieder erwachen würde -- denn alle Lebensaussichten waren ihm abgeschnit¬ ten, und er hatte keine Hoffnung mehr, wozu er erwachen sollte,
E 2
den andern an ſeinem Schickſal liegt; und ſein Freund mit der Hutkokarde ſtand wieder vor ſei¬ ner Seele da. Weswegen putzte aber jener ſeine Hutkokarde, als um ſeinem Maͤdgen, der Ein¬ zigen zu gefallen, die damals ſeine Goͤttin war, in der er ſich wiederfinden, und wieder von ihr geliebt ſeyn wollte.
Das Schauſpiel endigte ſich froh, die Un¬ gluͤcklichen wurden getroͤſtet, das Weinen ver¬ wandelte ſich in Lachen, das Trauren in Froͤ¬ lichkeit — aber betruͤbt und mit ſchwerem Herzen ging Reiſer in ſeine Wohnung — vor ihm war alles dunkel, und er ſahe nun keinen Strahl von Hoffnung mehr.
Als er zu Hauſe kam, legte er ſich ſogleich zu Bette — ſeine Sinne waren ſtumpf — ſeine Gedanken wußten keinen Ausweg mehr zu fin¬ den — und der Schlaf war das einzige, was ihm uͤbrig blieb — Es war ihm, als ob er aus die¬ ſem Schlafe nicht wieder erwachen wuͤrde — denn alle Lebensausſichten waren ihm abgeſchnit¬ ten, und er hatte keine Hoffnung mehr, wozu er erwachen ſollte,
E 2
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0081"n="67"/>
den andern an ſeinem Schickſal liegt; und ſein<lb/>
Freund mit der Hutkokarde ſtand wieder vor ſei¬<lb/>
ner Seele da. Weswegen putzte aber jener ſeine<lb/>
Hutkokarde, als um ſeinem Maͤdgen, der Ein¬<lb/>
zigen zu gefallen, die damals ſeine Goͤttin war,<lb/>
in der er ſich wiederfinden, und wieder von ihr<lb/>
geliebt ſeyn wollte.</p><lb/><p>Das Schauſpiel endigte ſich froh, die Un¬<lb/>
gluͤcklichen wurden getroͤſtet, das Weinen ver¬<lb/>
wandelte ſich in Lachen, das Trauren in Froͤ¬<lb/>
lichkeit — aber betruͤbt und mit ſchwerem Herzen<lb/>
ging Reiſer in ſeine Wohnung — vor ihm war<lb/>
alles dunkel, und er ſahe nun keinen Strahl<lb/>
von Hoffnung mehr.</p><lb/><p>Als er zu Hauſe kam, legte er ſich ſogleich<lb/>
zu Bette —ſeine Sinne waren ſtumpf —ſeine<lb/>
Gedanken wußten keinen Ausweg mehr zu fin¬<lb/>
den — und der Schlaf war das einzige, was ihm<lb/>
uͤbrig blieb — Es war ihm, als ob er aus die¬<lb/>ſem Schlafe nicht wieder erwachen wuͤrde —<lb/>
denn alle Lebensausſichten waren ihm abgeſchnit¬<lb/>
ten, und er hatte keine Hoffnung mehr, wozu<lb/>
er erwachen ſollte,<lb/></p><fwplace="bottom"type="sig">E 2<lb/></fw></body></text></TEI>
[67/0081]
den andern an ſeinem Schickſal liegt; und ſein
Freund mit der Hutkokarde ſtand wieder vor ſei¬
ner Seele da. Weswegen putzte aber jener ſeine
Hutkokarde, als um ſeinem Maͤdgen, der Ein¬
zigen zu gefallen, die damals ſeine Goͤttin war,
in der er ſich wiederfinden, und wieder von ihr
geliebt ſeyn wollte.
Das Schauſpiel endigte ſich froh, die Un¬
gluͤcklichen wurden getroͤſtet, das Weinen ver¬
wandelte ſich in Lachen, das Trauren in Froͤ¬
lichkeit — aber betruͤbt und mit ſchwerem Herzen
ging Reiſer in ſeine Wohnung — vor ihm war
alles dunkel, und er ſahe nun keinen Strahl
von Hoffnung mehr.
Als er zu Hauſe kam, legte er ſich ſogleich
zu Bette — ſeine Sinne waren ſtumpf — ſeine
Gedanken wußten keinen Ausweg mehr zu fin¬
den — und der Schlaf war das einzige, was ihm
uͤbrig blieb — Es war ihm, als ob er aus die¬
ſem Schlafe nicht wieder erwachen wuͤrde —
denn alle Lebensausſichten waren ihm abgeſchnit¬
ten, und er hatte keine Hoffnung mehr, wozu
er erwachen ſollte,
E 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/81>, abgerufen am 02.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.