Am andern Morgen ging er in die Probe, und man führte den Tag gerade die Operette, der Deserteur, auf, worin ein fremder Schau¬ spieler, Nahmens Neuhaus, den Deserteur, und dessen Frau die Lilla spielte.
Eckhof bewieß sich bei der Probe besonders geschäftig, und Reiser stand hinter den Kulissen, und sahe mit Vergnügen zu, wie durch An¬ strengung und Aufmerksamkeit eines jeden Ein¬ zelnen das schöne Werk entstand, das am Abend die Zuschauer vergnügen sollte.
Er dachte sich lebhaft die Nähe in der er sich nun bei diesen reizenden Beschäftigungen fand, und daß auf eben diesem Schauplatze mit seinem Spiele sich auch zugleich sein Schicksal entschei¬ den, und seine Existenz auf diesem Fleck sich entwickeln würde. --
Denn auf diesen engumschränkten Schau¬ platz waren nun nach der weiten Reise alle seine Wünsche beschränkt; hier sah' er sich, hier fand er sich wieder -- Hier schloß die Zukunft ihren ganzen reichen Schatz von goldnen Phantasien für ihn auf, und ließ ihn in eine schöne und immer schönere Ferne blicken -- --
Am andern Morgen ging er in die Probe, und man fuͤhrte den Tag gerade die Operette, der Deſerteur, auf, worin ein fremder Schau¬ ſpieler, Nahmens Neuhaus, den Deſerteur, und deſſen Frau die Lilla ſpielte.
Eckhof bewieß ſich bei der Probe beſonders geſchaͤftig, und Reiſer ſtand hinter den Kuliſſen, und ſahe mit Vergnuͤgen zu, wie durch An¬ ſtrengung und Aufmerkſamkeit eines jeden Ein¬ zelnen das ſchoͤne Werk entſtand, das am Abend die Zuſchauer vergnuͤgen ſollte.
Er dachte ſich lebhaft die Naͤhe in der er ſich nun bei dieſen reizenden Beſchaͤftigungen fand, und daß auf eben dieſem Schauplatze mit ſeinem Spiele ſich auch zugleich ſein Schickſal entſchei¬ den, und ſeine Exiſtenz auf dieſem Fleck ſich entwickeln wuͤrde. —
Denn auf dieſen engumſchraͤnkten Schau¬ platz waren nun nach der weiten Reiſe alle ſeine Wuͤnſche beſchraͤnkt; hier ſah' er ſich, hier fand er ſich wieder — Hier ſchloß die Zukunft ihren ganzen reichen Schatz von goldnen Phantaſien fuͤr ihn auf, und ließ ihn in eine ſchoͤne und immer ſchoͤnere Ferne blicken — —
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Am andern Morgen ging er in die Probe,
und man fuͤhrte den Tag gerade die Operette,
der Deſerteur, auf, worin ein fremder Schau¬
ſpieler, Nahmens Neuhaus, den Deſerteur,
und deſſen Frau die Lilla ſpielte.
Eckhof bewieß ſich bei der Probe beſonders
geſchaͤftig, und Reiſer ſtand hinter den Kuliſſen,
und ſahe mit Vergnuͤgen zu, wie durch An¬
ſtrengung und Aufmerkſamkeit eines jeden Ein¬
zelnen das ſchoͤne Werk entſtand, das am Abend
die Zuſchauer vergnuͤgen ſollte.
Er dachte ſich lebhaft die Naͤhe in der er ſich
nun bei dieſen reizenden Beſchaͤftigungen fand,
und daß auf eben dieſem Schauplatze mit ſeinem
Spiele ſich auch zugleich ſein Schickſal entſchei¬
den, und ſeine Exiſtenz auf dieſem Fleck ſich
entwickeln wuͤrde. —
Denn auf dieſen engumſchraͤnkten Schau¬
platz waren nun nach der weiten Reiſe alle ſeine
Wuͤnſche beſchraͤnkt; hier ſah' er ſich, hier fand
er ſich wieder — Hier ſchloß die Zukunft ihren
ganzen reichen Schatz von goldnen Phantaſien
fuͤr ihn auf, und ließ ihn in eine ſchoͤne und
immer ſchoͤnere Ferne blicken — —
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/77>, abgerufen am 16.02.2025.
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