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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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seiner Schuljahre in Wind und Regen oft mit¬
gesungen hatte.

Dieß erinnerte ihn an jenen ganzen trüben
Zeitraum seines Lebens, wo immer Mißmuth,
Selbstverachtung und äußerer Druck ihm ieden
Schimmer von Freude raubte, wo alle seine
Wünsche fehlschlugen, und ihm nichts als ein
schwacher Strahl von Hofnung übrig blieb.

Sollte denn nun, dachte er, nicht endlich
einmal die Morgenröthe aus jenem Dunkel her¬
vorbrechen? -- Und eine trügerische täuschende
Hofnung schien ihm zu sagen, daß er dafür, daß
er so lange sich selber zur Quaal gewesen, nun
auch einmal werde Freude an sich selber haben,
und daß die glückliche Wendung seines Schick¬
sals nicht weit mehr entfernt sey.

Sein höchstes Glück aber war nun einmal
der Schauplatz; denn das war der einzige Ort
wo sein ungenügsamer Wunsch, alle Scenen
des Menschenlebens selbst zu durchleben, befrie¬
digt werden konnte.

Weil er von Kindheit auf zu wenig eigene
Existenz gehabt hatte
, so zog ihn jedes Schick¬
sal, das außer ihm war, desto stärker an; daher

ſeiner Schuljahre in Wind und Regen oft mit¬
geſungen hatte.

Dieß erinnerte ihn an jenen ganzen truͤben
Zeitraum ſeines Lebens, wo immer Mißmuth,
Selbſtverachtung und aͤußerer Druck ihm ieden
Schimmer von Freude raubte, wo alle ſeine
Wuͤnſche fehlſchlugen, und ihm nichts als ein
ſchwacher Strahl von Hofnung uͤbrig blieb.

Sollte denn nun, dachte er, nicht endlich
einmal die Morgenroͤthe aus jenem Dunkel her¬
vorbrechen? — Und eine truͤgeriſche taͤuſchende
Hofnung ſchien ihm zu ſagen, daß er dafuͤr, daß
er ſo lange ſich ſelber zur Quaal geweſen, nun
auch einmal werde Freude an ſich ſelber haben,
und daß die gluͤckliche Wendung ſeines Schick¬
ſals nicht weit mehr entfernt ſey.

Sein hoͤchſtes Gluͤck aber war nun einmal
der Schauplatz; denn das war der einzige Ort
wo ſein ungenuͤgſamer Wunſch, alle Scenen
des Menſchenlebens ſelbſt zu durchleben, befrie¬
digt werden konnte.

Weil er von Kindheit auf zu wenig eigene
Exiſtenz gehabt hatte
, ſo zog ihn jedes Schick¬
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[52/0066] ſeiner Schuljahre in Wind und Regen oft mit¬ geſungen hatte. Dieß erinnerte ihn an jenen ganzen truͤben Zeitraum ſeines Lebens, wo immer Mißmuth, Selbſtverachtung und aͤußerer Druck ihm ieden Schimmer von Freude raubte, wo alle ſeine Wuͤnſche fehlſchlugen, und ihm nichts als ein ſchwacher Strahl von Hofnung uͤbrig blieb. Sollte denn nun, dachte er, nicht endlich einmal die Morgenroͤthe aus jenem Dunkel her¬ vorbrechen? — Und eine truͤgeriſche taͤuſchende Hofnung ſchien ihm zu ſagen, daß er dafuͤr, daß er ſo lange ſich ſelber zur Quaal geweſen, nun auch einmal werde Freude an ſich ſelber haben, und daß die gluͤckliche Wendung ſeines Schick¬ ſals nicht weit mehr entfernt ſey. Sein hoͤchſtes Gluͤck aber war nun einmal der Schauplatz; denn das war der einzige Ort wo ſein ungenuͤgſamer Wunſch, alle Scenen des Menſchenlebens ſelbſt zu durchleben, befrie¬ digt werden konnte. Weil er von Kindheit auf zu wenig eigene Exiſtenz gehabt hatte, ſo zog ihn jedes Schick¬ ſal, das außer ihm war, deſto ſtaͤrker an; daher

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/66>, abgerufen am 22.11.2024.