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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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Reiser ging nun in die Stube, und legte zu
noch mehrerem Beweise, daß er ein Litteratus
sey, seinen Homer auf den Tisch, welchen denn
auch der Schulmeister gleich kannte, und den
Bauern auf deutsch sagte, daß das der Ho¬
mer wäre.

Mit Reisern aber fuhr er immer fort Latein
zu sprechen, so gut es gehen wollte, wobei
denn viel komisches mit unter lief; da er sehr
viel von seinem gelehrten Unterricht sprach, so
fragte ihn Reiser, ob er auch mit seinen Schü¬
lern die Kirchenväter läse? worüber er erst ein
wenig in Verlegenheit gerieth, sich aber doch
bald wieder faßte, und sagte: alternatim.

Er nahm nun Abschied von Reisern, der
den andern Morgen früh schon weiter gehen
wollte, und warnte ihn, sich vor den Kaiser¬
lichen und Preußischen Werbern in diesen Ge¬
genden in Acht zu nehmen, und sich durch keine
Drohungen schrecken zu lassen, wenn sie etwa
äußerten, daß sie ihn mit Gewalt nehmen
wollten.

Reiser legte sich auf seine Streu ruhig schla¬
fen -- als er aber am andern Morgen erwachte,

B 5

Reiſer ging nun in die Stube, und legte zu
noch mehrerem Beweiſe, daß er ein Litteratus
ſey, ſeinen Homer auf den Tiſch, welchen denn
auch der Schulmeiſter gleich kannte, und den
Bauern auf deutſch ſagte, daß das der Ho¬
mer waͤre.

Mit Reiſern aber fuhr er immer fort Latein
zu ſprechen, ſo gut es gehen wollte, wobei
denn viel komiſches mit unter lief; da er ſehr
viel von ſeinem gelehrten Unterricht ſprach, ſo
fragte ihn Reiſer, ob er auch mit ſeinen Schuͤ¬
lern die Kirchenvaͤter laͤſe? woruͤber er erſt ein
wenig in Verlegenheit gerieth, ſich aber doch
bald wieder faßte, und ſagte: alternatim.

Er nahm nun Abſchied von Reiſern, der
den andern Morgen fruͤh ſchon weiter gehen
wollte, und warnte ihn, ſich vor den Kaiſer¬
lichen und Preußiſchen Werbern in dieſen Ge¬
genden in Acht zu nehmen, und ſich durch keine
Drohungen ſchrecken zu laſſen, wenn ſie etwa
aͤußerten, daß ſie ihn mit Gewalt nehmen
wollten.

Reiſer legte ſich auf ſeine Streu ruhig ſchla¬
fen — als er aber am andern Morgen erwachte,

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[25/0039] Reiſer ging nun in die Stube, und legte zu noch mehrerem Beweiſe, daß er ein Litteratus ſey, ſeinen Homer auf den Tiſch, welchen denn auch der Schulmeiſter gleich kannte, und den Bauern auf deutſch ſagte, daß das der Ho¬ mer waͤre. Mit Reiſern aber fuhr er immer fort Latein zu ſprechen, ſo gut es gehen wollte, wobei denn viel komiſches mit unter lief; da er ſehr viel von ſeinem gelehrten Unterricht ſprach, ſo fragte ihn Reiſer, ob er auch mit ſeinen Schuͤ¬ lern die Kirchenvaͤter laͤſe? woruͤber er erſt ein wenig in Verlegenheit gerieth, ſich aber doch bald wieder faßte, und ſagte: alternatim. Er nahm nun Abſchied von Reiſern, der den andern Morgen fruͤh ſchon weiter gehen wollte, und warnte ihn, ſich vor den Kaiſer¬ lichen und Preußiſchen Werbern in dieſen Ge¬ genden in Acht zu nehmen, und ſich durch keine Drohungen ſchrecken zu laſſen, wenn ſie etwa aͤußerten, daß ſie ihn mit Gewalt nehmen wollten. Reiſer legte ſich auf ſeine Streu ruhig ſchla¬ fen — als er aber am andern Morgen erwachte, B 5

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/39>, abgerufen am 24.11.2024.