gekannt hätten, niemals wiedersehen würde, hätte damals alles Interesse aus seinem Leben hinweggenommen, und ihm die süßesten Hof¬ nungen geraubt.
Als nun der Mittag herannahte, so kehrte er in einem Dorfe in einem geringen Wirths¬ hause ein, wo er ohnedem ausser Bier und Brodt auch für Geld nichts hätte haben kön¬ nen, und also der Fall nicht eintrat, daß man ihm eine bessere Bewirthung angeboten, und er sie hätte ablehnen müssen.
Es machte ihm nun unbeschreiblich Vergnü¬ gen, daß er für wenige Pfennige ein so großes Stück schwarzes Brodt erhielt, welches ihn den ganzen Tag gegen den Hunger sicher stellte. Er brockte sich einen Theil davon ins Bier, und hielt auf die Weise das erste Mittagsmahl nach sei¬ nen eigenen strengen Gesetzen, von welchen er von nun an, während der Reise, nicht abging. Er eilte denn aber, daß er schnell wieder aus der dumpfigen Gaststube ins Freie kam, wo er unter einem schattigten Baum sich niedersetzte, und zur Mittagserholung in Homers Odyssee las. -- Mochte nun dies Lesen im Homer eine
gekannt haͤtten, niemals wiederſehen wuͤrde, haͤtte damals alles Intereſſe aus ſeinem Leben hinweggenommen, und ihm die ſuͤßeſten Hof¬ nungen geraubt.
Als nun der Mittag herannahte, ſo kehrte er in einem Dorfe in einem geringen Wirths¬ hauſe ein, wo er ohnedem auſſer Bier und Brodt auch fuͤr Geld nichts haͤtte haben koͤn¬ nen, und alſo der Fall nicht eintrat, daß man ihm eine beſſere Bewirthung angeboten, und er ſie haͤtte ablehnen muͤſſen.
Es machte ihm nun unbeſchreiblich Vergnuͤ¬ gen, daß er fuͤr wenige Pfennige ein ſo großes Stuͤck ſchwarzes Brodt erhielt, welches ihn den ganzen Tag gegen den Hunger ſicher ſtellte. Er brockte ſich einen Theil davon ins Bier, und hielt auf die Weiſe das erſte Mittagsmahl nach ſei¬ nen eigenen ſtrengen Geſetzen, von welchen er von nun an, waͤhrend der Reiſe, nicht abging. Er eilte denn aber, daß er ſchnell wieder aus der dumpfigen Gaſtſtube ins Freie kam, wo er unter einem ſchattigten Baum ſich niederſetzte, und zur Mittagserholung in Homers Odyſſee las. — Mochte nun dies Leſen im Homer eine
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gekannt haͤtten, niemals wiederſehen wuͤrde,
haͤtte damals alles Intereſſe aus ſeinem Leben
hinweggenommen, und ihm die ſuͤßeſten Hof¬
nungen geraubt.
Als nun der Mittag herannahte, ſo kehrte
er in einem Dorfe in einem geringen Wirths¬
hauſe ein, wo er ohnedem auſſer Bier und
Brodt auch fuͤr Geld nichts haͤtte haben koͤn¬
nen, und alſo der Fall nicht eintrat, daß man
ihm eine beſſere Bewirthung angeboten, und er
ſie haͤtte ablehnen muͤſſen.
Es machte ihm nun unbeſchreiblich Vergnuͤ¬
gen, daß er fuͤr wenige Pfennige ein ſo großes
Stuͤck ſchwarzes Brodt erhielt, welches ihn den
ganzen Tag gegen den Hunger ſicher ſtellte. Er
brockte ſich einen Theil davon ins Bier, und hielt
auf die Weiſe das erſte Mittagsmahl nach ſei¬
nen eigenen ſtrengen Geſetzen, von welchen er
von nun an, waͤhrend der Reiſe, nicht abging.
Er eilte denn aber, daß er ſchnell wieder aus
der dumpfigen Gaſtſtube ins Freie kam, wo er
unter einem ſchattigten Baum ſich niederſetzte,
und zur Mittagserholung in Homers Odyſſee
las. — Mochte nun dies Leſen im Homer eine
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/22>, abgerufen am 16.07.2024.
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