te, weil von der Dauer dieses Brodts mit die Dauer seines glücklichen Zustandes abhing.
Nun fühlte er sich aber auch wieder, sobald es gelten sollte, zu nichts zu schwach. Das Thea¬ ter stand wieder so glänzend wie jemals vor ihm da; alle die theatralischen Leidenschaften durch¬ stürmten wieder eine nach der andern seine Seele, und die Gemüther der Zuschauer wurden durch sein Spiel erschüttert.
Als nun sein Brodt verzehrt war, stand er gegen Abend auf, ordnete seinen Anzug so gut wie möglich, und sein erster Gang war ins Theater, wo er sich in einen Winkel setzte, und erstlich ein Stück Namens Inkle und Yariko, alsdann aber die Leiden des jungen Werthers auf¬ führen sahe. Der Verfasser des letztern hatte fast nichts gethan, als die wertherschen Briefe in Dia¬ logen und Monologen verwandelt, die denn frei¬ lich sehr lang wurden, aber doch das Publikum sowohl als die Schauspieler wegen des rühren¬ den Gegenstandes, außerordentlich interessirten.
Nun ereignete sich aber gerade bei der tragischen Katastrophe des letztern Stücks ein sehr komi¬ scher Zufall. Man hatte sich nehmlich irgendwo
te, weil von der Dauer dieſes Brodts mit die Dauer ſeines gluͤcklichen Zuſtandes abhing.
Nun fuͤhlte er ſich aber auch wieder, ſobald es gelten ſollte, zu nichts zu ſchwach. Das Thea¬ ter ſtand wieder ſo glaͤnzend wie jemals vor ihm da; alle die theatraliſchen Leidenſchaften durch¬ ſtuͤrmten wieder eine nach der andern ſeine Seele, und die Gemuͤther der Zuſchauer wurden durch ſein Spiel erſchuͤttert.
Als nun ſein Brodt verzehrt war, ſtand er gegen Abend auf, ordnete ſeinen Anzug ſo gut wie moͤglich, und ſein erſter Gang war ins Theater, wo er ſich in einen Winkel ſetzte, und erſtlich ein Stuͤck Namens Inkle und Yariko, alsdann aber die Leiden des jungen Werthers auf¬ fuͤhren ſahe. Der Verfaſſer des letztern hatte faſt nichts gethan, als die wertherſchen Briefe in Dia¬ logen und Monologen verwandelt, die denn frei¬ lich ſehr lang wurden, aber doch das Publikum ſowohl als die Schauſpieler wegen des ruͤhren¬ den Gegenſtandes, außerordentlich intereſſirten.
Nun ereignete ſich aber gerade bei der tragiſchen Kataſtrophe des letztern Stuͤcks ein ſehr komi¬ ſcher Zufall. Man hatte ſich nehmlich irgendwo
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[189/0203]
te, weil von der Dauer dieſes Brodts mit die
Dauer ſeines gluͤcklichen Zuſtandes abhing.
Nun fuͤhlte er ſich aber auch wieder, ſobald
es gelten ſollte, zu nichts zu ſchwach. Das Thea¬
ter ſtand wieder ſo glaͤnzend wie jemals vor ihm
da; alle die theatraliſchen Leidenſchaften durch¬
ſtuͤrmten wieder eine nach der andern ſeine Seele,
und die Gemuͤther der Zuſchauer wurden durch
ſein Spiel erſchuͤttert.
Als nun ſein Brodt verzehrt war, ſtand er
gegen Abend auf, ordnete ſeinen Anzug ſo gut
wie moͤglich, und ſein erſter Gang war ins
Theater, wo er ſich in einen Winkel ſetzte, und
erſtlich ein Stuͤck Namens Inkle und Yariko,
alsdann aber die Leiden des jungen Werthers auf¬
fuͤhren ſahe. Der Verfaſſer des letztern hatte faſt
nichts gethan, als die wertherſchen Briefe in Dia¬
logen und Monologen verwandelt, die denn frei¬
lich ſehr lang wurden, aber doch das Publikum
ſowohl als die Schauſpieler wegen des ruͤhren¬
den Gegenſtandes, außerordentlich intereſſirten.
Nun ereignete ſich aber gerade bei der tragiſchen
Kataſtrophe des letztern Stuͤcks ein ſehr komi¬
ſcher Zufall. Man hatte ſich nehmlich irgendwo
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/203>, abgerufen am 16.02.2025.
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