merwährenden Schlafe, doch, die letzten Tage ausgenommen, in einem beständigem Schlummer, im Bette zubrachte. Hiezu kam nun freilich der Umstand, daß er kein Holz hatte, um einzu¬ heizen: er hätte aber auch nur ein Wort sagen dürfen, um dies Bedürfniß zu befriedigen, wenn es ihm nicht gewissermaßen selbst lieb gewesen wäre, den Mangel des Holzes als einen Be¬ weggrund zu dieser sonderbaren Lebensart vor¬ schützen zu können.
Reiser wurde in diesem Zustande auch von seinen Freunden nicht gestört, weil er gegen diese oft den Wunsch geäußert hatte, daß er nur ein¬ mal ein paar Wochen lang ganz einsam zu seyn wünschte.
Nun hatte aber dieser Zustand eine sonderbare Wirkung auf Reisern: die ersten acht Tage brach¬ te er in einer Art von gänzlicher Abspannung und Gleichgültigkeit zu, wodurch er den Zustand, den er vergeblich zu besingen gestrebt hatte, nun gewissermaßen in sich selber darstellte. Er schien aus dem Lethe getrunken zu haben, und kein Fünckchen von Lebenslust mehr bei ihm übrig zu seyn.
merwaͤhrenden Schlafe, doch, die letzten Tage ausgenommen, in einem beſtaͤndigem Schlummer, im Bette zubrachte. Hiezu kam nun freilich der Umſtand, daß er kein Holz hatte, um einzu¬ heizen: er haͤtte aber auch nur ein Wort ſagen duͤrfen, um dies Beduͤrfniß zu befriedigen, wenn es ihm nicht gewiſſermaßen ſelbſt lieb geweſen waͤre, den Mangel des Holzes als einen Be¬ weggrund zu dieſer ſonderbaren Lebensart vor¬ ſchuͤtzen zu koͤnnen.
Reiſer wurde in dieſem Zuſtande auch von ſeinen Freunden nicht geſtoͤrt, weil er gegen dieſe oft den Wunſch geaͤußert hatte, daß er nur ein¬ mal ein paar Wochen lang ganz einſam zu ſeyn wuͤnſchte.
Nun hatte aber dieſer Zuſtand eine ſonderbare Wirkung auf Reiſern: die erſten acht Tage brach¬ te er in einer Art von gaͤnzlicher Abſpannung und Gleichguͤltigkeit zu, wodurch er den Zuſtand, den er vergeblich zu beſingen geſtrebt hatte, nun gewiſſermaßen in ſich ſelber darſtellte. Er ſchien aus dem Lethe getrunken zu haben, und kein Fuͤnckchen von Lebensluſt mehr bei ihm uͤbrig zu ſeyn.
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[187/0201]
merwaͤhrenden Schlafe, doch, die letzten Tage
ausgenommen, in einem beſtaͤndigem Schlummer,
im Bette zubrachte. Hiezu kam nun freilich der
Umſtand, daß er kein Holz hatte, um einzu¬
heizen: er haͤtte aber auch nur ein Wort ſagen
duͤrfen, um dies Beduͤrfniß zu befriedigen, wenn
es ihm nicht gewiſſermaßen ſelbſt lieb geweſen
waͤre, den Mangel des Holzes als einen Be¬
weggrund zu dieſer ſonderbaren Lebensart vor¬
ſchuͤtzen zu koͤnnen.
Reiſer wurde in dieſem Zuſtande auch von
ſeinen Freunden nicht geſtoͤrt, weil er gegen dieſe
oft den Wunſch geaͤußert hatte, daß er nur ein¬
mal ein paar Wochen lang ganz einſam zu ſeyn
wuͤnſchte.
Nun hatte aber dieſer Zuſtand eine ſonderbare
Wirkung auf Reiſern: die erſten acht Tage brach¬
te er in einer Art von gaͤnzlicher Abſpannung und
Gleichguͤltigkeit zu, wodurch er den Zuſtand,
den er vergeblich zu beſingen geſtrebt hatte, nun
gewiſſermaßen in ſich ſelber darſtellte. Er ſchien
aus dem Lethe getrunken zu haben, und kein
Fuͤnckchen von Lebensluſt mehr bei ihm uͤbrig zu
ſeyn.
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/201>, abgerufen am 16.02.2025.
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