Reiser stand wie versteinert da, und der Prinzipal wußte in der Angst nicht, wozu er greifen sollte, bis sich ein Schauspieler erbot, die Rolle des Reimreich, so gut es gehen wollte, nach dem Soufleur zu spielen; denn man pochte schon im Parterre, daß der Vorhang sollte auf¬ gezogen werden.
Wüthend gieng Reiser hinter den Kulissen auf und ab, und zernagte seine Rolle, die er in der Hand hielt. Dann eilte er, so schnell wie möglich, aus dem Schauspielhause, und durch¬ irrte wieder alle Straßen bei dem stürmischen und regnigten Wetter, bis er gegen Mitter¬ nacht auf einer bedeckten Brücke, die ihn vor dem Regen schützte, vor Mattigkeit sich nieder¬ warf, und eine Weile ausruhte, worauf er wie¬ der umherirrte, bis der Tag anbrach.
Diese äußersten Anstrengungen der Natur, waren das einzige, was ihm das Verlohrne in dem ersten bittersten Schmerz darüber einiger¬ maßen ersetzen konnte. Das fortdauernde Lei¬ denschaftliche dieses Zustandes hatte in sich et¬ was, das seiner unbefriedigten Sehnsucht wie¬ der neue Nahrung gab. Sein ganzes mißlun¬
4ter Theil. M
Reiſer ſtand wie verſteinert da, und der Prinzipal wußte in der Angſt nicht, wozu er greifen ſollte, bis ſich ein Schauſpieler erbot, die Rolle des Reimreich, ſo gut es gehen wollte, nach dem Soufleur zu ſpielen; denn man pochte ſchon im Parterre, daß der Vorhang ſollte auf¬ gezogen werden.
Wuͤthend gieng Reiſer hinter den Kuliſſen auf und ab, und zernagte ſeine Rolle, die er in der Hand hielt. Dann eilte er, ſo ſchnell wie moͤglich, aus dem Schauſpielhauſe, und durch¬ irrte wieder alle Straßen bei dem ſtuͤrmiſchen und regnigten Wetter, bis er gegen Mitter¬ nacht auf einer bedeckten Bruͤcke, die ihn vor dem Regen ſchuͤtzte, vor Mattigkeit ſich nieder¬ warf, und eine Weile ausruhte, worauf er wie¬ der umherirrte, bis der Tag anbrach.
Dieſe aͤußerſten Anſtrengungen der Natur, waren das einzige, was ihm das Verlohrne in dem erſten bitterſten Schmerz daruͤber einiger¬ maßen erſetzen konnte. Das fortdauernde Lei¬ denſchaftliche dieſes Zuſtandes hatte in ſich et¬ was, das ſeiner unbefriedigten Sehnſucht wie¬ der neue Nahrung gab. Sein ganzes mißlun¬
4ter Theil. M
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[177/0191]
Reiſer ſtand wie verſteinert da, und der
Prinzipal wußte in der Angſt nicht, wozu er
greifen ſollte, bis ſich ein Schauſpieler erbot,
die Rolle des Reimreich, ſo gut es gehen wollte,
nach dem Soufleur zu ſpielen; denn man pochte
ſchon im Parterre, daß der Vorhang ſollte auf¬
gezogen werden.
Wuͤthend gieng Reiſer hinter den Kuliſſen
auf und ab, und zernagte ſeine Rolle, die er in
der Hand hielt. Dann eilte er, ſo ſchnell wie
moͤglich, aus dem Schauſpielhauſe, und durch¬
irrte wieder alle Straßen bei dem ſtuͤrmiſchen
und regnigten Wetter, bis er gegen Mitter¬
nacht auf einer bedeckten Bruͤcke, die ihn vor
dem Regen ſchuͤtzte, vor Mattigkeit ſich nieder¬
warf, und eine Weile ausruhte, worauf er wie¬
der umherirrte, bis der Tag anbrach.
Dieſe aͤußerſten Anſtrengungen der Natur,
waren das einzige, was ihm das Verlohrne in
dem erſten bitterſten Schmerz daruͤber einiger¬
maßen erſetzen konnte. Das fortdauernde Lei¬
denſchaftliche dieſes Zuſtandes hatte in ſich et¬
was, das ſeiner unbefriedigten Sehnſucht wie¬
der neue Nahrung gab. Sein ganzes mißlun¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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