Der Verdruß, der dann in die Stelle der gereizten Hoffnung trat, war von einer so gro¬ ben, gemeinen, und niedrigen Art, daß auch nicht der mindeste Grad von einer sanften Me¬ lancholie oder etwas dergleichen damit bestehen konnte. Es war ohngefähr die Empfindung ei¬ nes Menschen, der ganz vom Regen durchnäßt ist, und indem er vor Frost schaudernd zu Hau¬ se kehrt, auch noch eine kalte Stube findet.
Ein solches Leben führte Reiser, und schrieb dabei immer an seiner Abhandlung gegen die falsche Empfindsamkeit fort, wobei er denn bei seinen einsamen Spaziergängen einmal eine son¬ derbare Aeußerung von Empfindsamkeit bei ei¬ nem gemeinen Menschen bemerkte, bei dem er dieselbe am wenigsten erwartet hätte.
Er gieng nehmlich zwischen den Gärten von Erfurt spazieren, und da es gerade in der Pflau¬ menzeit war, so konnte er sich nicht enthalten, von einem überhangenden Aste, eine schöne reife Pflaume abzupflücken, welches der Eigenthü¬ mer des Gartens bemerkte, der ihn sehr un¬ sanft mit den Worten anfuhr, ob er wohl wisse,
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Der Verdruß, der dann in die Stelle der gereizten Hoffnung trat, war von einer ſo gro¬ ben, gemeinen, und niedrigen Art, daß auch nicht der mindeſte Grad von einer ſanften Me¬ lancholie oder etwas dergleichen damit beſtehen konnte. Es war ohngefaͤhr die Empfindung ei¬ nes Menſchen, der ganz vom Regen durchnaͤßt iſt, und indem er vor Froſt ſchaudernd zu Hau¬ ſe kehrt, auch noch eine kalte Stube findet.
Ein ſolches Leben fuͤhrte Reiſer, und ſchrieb dabei immer an ſeiner Abhandlung gegen die falſche Empfindſamkeit fort, wobei er denn bei ſeinen einſamen Spaziergaͤngen einmal eine ſon¬ derbare Aeußerung von Empfindſamkeit bei ei¬ nem gemeinen Menſchen bemerkte, bei dem er dieſelbe am wenigſten erwartet haͤtte.
Er gieng nehmlich zwiſchen den Gaͤrten von Erfurt ſpazieren, und da es gerade in der Pflau¬ menzeit war, ſo konnte er ſich nicht enthalten, von einem uͤberhangenden Aſte, eine ſchoͤne reife Pflaume abzupfluͤcken, welches der Eigenthuͤ¬ mer des Gartens bemerkte, der ihn ſehr un¬ ſanft mit den Worten anfuhr, ob er wohl wiſſe,
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Der Verdruß, der dann in die Stelle der
gereizten Hoffnung trat, war von einer ſo gro¬
ben, gemeinen, und niedrigen Art, daß auch
nicht der mindeſte Grad von einer ſanften Me¬
lancholie oder etwas dergleichen damit beſtehen
konnte. Es war ohngefaͤhr die Empfindung ei¬
nes Menſchen, der ganz vom Regen durchnaͤßt
iſt, und indem er vor Froſt ſchaudernd zu Hau¬
ſe kehrt, auch noch eine kalte Stube findet.
Ein ſolches Leben fuͤhrte Reiſer, und ſchrieb
dabei immer an ſeiner Abhandlung gegen die
falſche Empfindſamkeit fort, wobei er denn bei
ſeinen einſamen Spaziergaͤngen einmal eine ſon¬
derbare Aeußerung von Empfindſamkeit bei ei¬
nem gemeinen Menſchen bemerkte, bei dem er
dieſelbe am wenigſten erwartet haͤtte.
Er gieng nehmlich zwiſchen den Gaͤrten von
Erfurt ſpazieren, und da es gerade in der Pflau¬
menzeit war, ſo konnte er ſich nicht enthalten,
von einem uͤberhangenden Aſte, eine ſchoͤne reife
Pflaume abzupfluͤcken, welches der Eigenthuͤ¬
mer des Gartens bemerkte, der ihn ſehr un¬
ſanft mit den Worten anfuhr, ob er wohl wiſſe,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/165>, abgerufen am 07.07.2024.
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