Während daß nun die Veranstaltungen zu dieser zweiten theatralischen Vorstellung gemacht wurden, fieng Reiser zu gleicher Zeit eine Aus¬ arbeitung über die Empfindsamkeit an, womit er zuerst als Schriftsteller auftreten wollte. In dieser Schrift sollte die affektirte Empfindsam¬ keit lächerlich gemacht, und die wahre Em¬ pfindsamkeit in ihr gehöriges Licht gestellt werden.
Die seynsollende Satire gegen die Empfind¬ samkeit gerieth nun freilich ziemlich grob, indem er sie mit einer Seuche verglich, vor der man sich zu hüten habe, und jedweden der aus einer Gegend käme, wo die Empfindsamkeit herrsch¬ te, den Eingang in Städte und Dörfer ver¬ sperren müsse.
Dieser Unwille war vorzüglich durch die em¬ pfindsamen Reisen, die nach und nach in Deutsch¬ land erschienen, und durch die vielen affektirten Nachahmungen von Werthers Leiden, bei Rei¬ sern erweckt worden, ob er sich gleich selber auch heimlich dieser Sünde anklagen mußte; um de¬ sto heftiger suchte er nun auch zugleich zu seiner eigenen Besserung, dagegen zu eifern.
Waͤhrend daß nun die Veranſtaltungen zu dieſer zweiten theatraliſchen Vorſtellung gemacht wurden, fieng Reiſer zu gleicher Zeit eine Aus¬ arbeitung uͤber die Empfindſamkeit an, womit er zuerſt als Schriftſteller auftreten wollte. In dieſer Schrift ſollte die affektirte Empfindſam¬ keit laͤcherlich gemacht, und die wahre Em¬ pfindſamkeit in ihr gehoͤriges Licht geſtellt werden.
Die ſeynſollende Satire gegen die Empfind¬ ſamkeit gerieth nun freilich ziemlich grob, indem er ſie mit einer Seuche verglich, vor der man ſich zu huͤten habe, und jedweden der aus einer Gegend kaͤme, wo die Empfindſamkeit herrſch¬ te, den Eingang in Staͤdte und Doͤrfer ver¬ ſperren muͤſſe.
Dieſer Unwille war vorzuͤglich durch die em¬ pfindſamen Reiſen, die nach und nach in Deutſch¬ land erſchienen, und durch die vielen affektirten Nachahmungen von Werthers Leiden, bei Rei¬ ſern erweckt worden, ob er ſich gleich ſelber auch heimlich dieſer Suͤnde anklagen mußte; um de¬ ſto heftiger ſuchte er nun auch zugleich zu ſeiner eigenen Beſſerung, dagegen zu eifern.
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Waͤhrend daß nun die Veranſtaltungen zu
dieſer zweiten theatraliſchen Vorſtellung gemacht
wurden, fieng Reiſer zu gleicher Zeit eine Aus¬
arbeitung uͤber die Empfindſamkeit an, womit
er zuerſt als Schriftſteller auftreten wollte. In
dieſer Schrift ſollte die affektirte Empfindſam¬
keit laͤcherlich gemacht, und die wahre Em¬
pfindſamkeit in ihr gehoͤriges Licht geſtellt werden.
Die ſeynſollende Satire gegen die Empfind¬
ſamkeit gerieth nun freilich ziemlich grob, indem
er ſie mit einer Seuche verglich, vor der man
ſich zu huͤten habe, und jedweden der aus einer
Gegend kaͤme, wo die Empfindſamkeit herrſch¬
te, den Eingang in Staͤdte und Doͤrfer ver¬
ſperren muͤſſe.
Dieſer Unwille war vorzuͤglich durch die em¬
pfindſamen Reiſen, die nach und nach in Deutſch¬
land erſchienen, und durch die vielen affektirten
Nachahmungen von Werthers Leiden, bei Rei¬
ſern erweckt worden, ob er ſich gleich ſelber auch
heimlich dieſer Suͤnde anklagen mußte; um de¬
ſto heftiger ſuchte er nun auch zugleich zu ſeiner
eigenen Beſſerung, dagegen zu eifern.
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/157>, abgerufen am 16.02.2025.
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