dann gewährt. Er wurde mit aller Sorgfalt als Klelie geschmückt. Die Lichter wurden an¬ gezündet, der Vorhang rauschte empor, und er stand nun da vor einem zahlreichen Audito¬ rium, und spielte ganz unbefangen seine lange Rolle durch, ohne daß ihm ein einzigesmal das Unnatürliche davon eingefallen wäre, so sehr war er in dem Gedanken vertieft, daß er in ei¬ ner theatralischen Darstellung nun wirklich mit begriffen, und daß seine Mitwirkung in jedem Augenblick dazu nothwendig war. --
Dieß Vertiefen in seinen Gegenstand machte, daß er sich selbst vergaß, und daß auch die Zu¬ schauer das Unnatürliche der Rolle weniger be¬ merkten, und er über sein Spiel sogar noch Beifall erhielt. Da er also nun den Schau¬ platz betreten hatte, und doch dabei Student blieb, so machte ihm dies doppeltes Vergnügen, und er fühlte sich in der Wiedererinnerung an diesen Abend ein paar Tage über so glücklich, daß ihm alles das, was ihm in den wenigen Wochen, die er nun in Erfurt zugebracht hatte, schon begegnet war, halb wie im Traume vorkam.
dann gewaͤhrt. Er wurde mit aller Sorgfalt als Klelie geſchmuͤckt. Die Lichter wurden an¬ gezuͤndet, der Vorhang rauſchte empor, und er ſtand nun da vor einem zahlreichen Audito¬ rium, und ſpielte ganz unbefangen ſeine lange Rolle durch, ohne daß ihm ein einzigesmal das Unnatuͤrliche davon eingefallen waͤre, ſo ſehr war er in dem Gedanken vertieft, daß er in ei¬ ner theatraliſchen Darſtellung nun wirklich mit begriffen, und daß ſeine Mitwirkung in jedem Augenblick dazu nothwendig war. —
Dieß Vertiefen in ſeinen Gegenſtand machte, daß er ſich ſelbſt vergaß, und daß auch die Zu¬ ſchauer das Unnatuͤrliche der Rolle weniger be¬ merkten, und er uͤber ſein Spiel ſogar noch Beifall erhielt. Da er alſo nun den Schau¬ platz betreten hatte, und doch dabei Student blieb, ſo machte ihm dies doppeltes Vergnuͤgen, und er fuͤhlte ſich in der Wiedererinnerung an dieſen Abend ein paar Tage uͤber ſo gluͤcklich, daß ihm alles das, was ihm in den wenigen Wochen, die er nun in Erfurt zugebracht hatte, ſchon begegnet war, halb wie im Traume vorkam.
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dann gewaͤhrt. Er wurde mit aller Sorgfalt
als Klelie geſchmuͤckt. Die Lichter wurden an¬
gezuͤndet, der Vorhang rauſchte empor, und
er ſtand nun da vor einem zahlreichen Audito¬
rium, und ſpielte ganz unbefangen ſeine lange
Rolle durch, ohne daß ihm ein einzigesmal das
Unnatuͤrliche davon eingefallen waͤre, ſo ſehr
war er in dem Gedanken vertieft, daß er in ei¬
ner theatraliſchen Darſtellung nun wirklich mit
begriffen, und daß ſeine Mitwirkung in jedem
Augenblick dazu nothwendig war. —
Dieß Vertiefen in ſeinen Gegenſtand machte,
daß er ſich ſelbſt vergaß, und daß auch die Zu¬
ſchauer das Unnatuͤrliche der Rolle weniger be¬
merkten, und er uͤber ſein Spiel ſogar noch
Beifall erhielt. Da er alſo nun den Schau¬
platz betreten hatte, und doch dabei Student
blieb, ſo machte ihm dies doppeltes Vergnuͤgen,
und er fuͤhlte ſich in der Wiedererinnerung an
dieſen Abend ein paar Tage uͤber ſo gluͤcklich,
daß ihm alles das, was ihm in den wenigen
Wochen, die er nun in Erfurt zugebracht hatte,
ſchon begegnet war, halb wie im Traume
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/146>, abgerufen am 30.07.2024.
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