Den blumigten Schauplatz der Welt zur trau¬ rigen Einöde machte; Dann wohl auch dir! daß du eine sichere Freistadt vor allen Den list'gen Ränken der Bosheit fand'st, und vor dem Geräusche Der Thoren, und vor der Verführung des schön gleißenden Lasters, Und vor des Lebens betrüglichen Freuden fand'st! -- Doch was seh ich? Im Aug' eine stumme Zähre, zittert langsam die Wange Des Jünglings herab, der abgehärmt und bleich sein gebrochnes, Hinsterbendes Leben verweinet, und wie die lechzende Blume In schwülen Tagen dahinwelkt.-- Der du im geheiligten Kerker, Von keinem Strahl erquickt, aus Zwang oderUnbedacht schmachtest, O weine, Jüngling, weine! Dein Gott ver¬giebt dir die Zähren, Die der unschuldige Wunsch der Natur ausder Seele dir preßte! O könnt' ich doch meine Thränen mit deinenThränen vermischen,
Den blumigten Schauplatz der Welt zur trau¬ rigen Einoͤde machte; Dann wohl auch dir! daß du eine ſichere Freiſtadt vor allen Den liſt'gen Raͤnken der Bosheit fand'ſt, und vor dem Geraͤuſche Der Thoren, und vor der Verfuͤhrung des ſchoͤn gleißenden Laſters, Und vor des Lebens betruͤglichen Freuden fand'ſt! — Doch was ſeh ich? Im Aug' eine ſtumme Zaͤhre, zittert langſam die Wange Des Juͤnglings herab, der abgehaͤrmt und bleich ſein gebrochnes, Hinſterbendes Leben verweinet, und wie die lechzende Blume In ſchwuͤlen Tagen dahinwelkt.— Der du im geheiligten Kerker, Von keinem Strahl erquickt, aus Zwang oderUnbedacht ſchmachteſt, O weine, Juͤngling, weine! Dein Gott ver¬giebt dir die Zaͤhren, Die der unſchuldige Wunſch der Natur ausder Seele dir preßte! O koͤnnt' ich doch meine Thraͤnen mit deinenThraͤnen vermiſchen,
<TEI><text><body><lgtype="poem"><lgn="2"><pbfacs="#f0139"n="125"/><l>Den blumigten Schauplatz der Welt zur trau¬<lb/><hirendition="#et">rigen Einoͤde machte;</hi></l><lb/><l>Dann wohl auch dir! daß du eine ſichere<lb/><hirendition="#et">Freiſtadt vor allen</hi></l><lb/><l>Den liſt'gen Raͤnken der Bosheit fand'ſt, und<lb/><hirendition="#et">vor dem Geraͤuſche</hi></l><lb/><l>Der Thoren, und vor der Verfuͤhrung des<lb/><hirendition="#et">ſchoͤn gleißenden Laſters,</hi></l><lb/><l>Und vor des Lebens betruͤglichen Freuden<lb/><hirendition="#et">fand'ſt! — Doch was ſeh ich?</hi></l><lb/><l>Im Aug' eine ſtumme Zaͤhre, zittert langſam<lb/><hirendition="#et">die Wange</hi></l><lb/><l>Des Juͤnglings herab, der abgehaͤrmt und<lb/><hirendition="#et">bleich ſein gebrochnes,</hi></l><lb/><l>Hinſterbendes Leben verweinet, und wie die<lb/><hirendition="#et">lechzende Blume</hi></l><lb/><l>In ſchwuͤlen Tagen dahinwelkt.— Der du<lb/><hirendition="#et">im geheiligten Kerker,</hi></l><lb/><l>Von keinem Strahl erquickt, aus Zwang oder<hirendition="#et">Unbedacht ſchmachteſt,</hi></l><lb/><l>O weine, Juͤngling, weine! Dein Gott ver¬<hirendition="#et">giebt dir die Zaͤhren,</hi></l><lb/><l>Die der unſchuldige Wunſch der Natur aus<hirendition="#et">der Seele dir preßte!</hi></l><lb/><l>O koͤnnt' ich doch meine Thraͤnen mit deinen<hirendition="#et">Thraͤnen vermiſchen,</hi></l><lb/></lg></lg></body></text></TEI>
[125/0139]
Den blumigten Schauplatz der Welt zur trau¬
rigen Einoͤde machte;
Dann wohl auch dir! daß du eine ſichere
Freiſtadt vor allen
Den liſt'gen Raͤnken der Bosheit fand'ſt, und
vor dem Geraͤuſche
Der Thoren, und vor der Verfuͤhrung des
ſchoͤn gleißenden Laſters,
Und vor des Lebens betruͤglichen Freuden
fand'ſt! — Doch was ſeh ich?
Im Aug' eine ſtumme Zaͤhre, zittert langſam
die Wange
Des Juͤnglings herab, der abgehaͤrmt und
bleich ſein gebrochnes,
Hinſterbendes Leben verweinet, und wie die
lechzende Blume
In ſchwuͤlen Tagen dahinwelkt.— Der du
im geheiligten Kerker,
Von keinem Strahl erquickt, aus Zwang oderUnbedacht ſchmachteſt,
O weine, Juͤngling, weine! Dein Gott ver¬giebt dir die Zaͤhren,
Die der unſchuldige Wunſch der Natur ausder Seele dir preßte!
O koͤnnt' ich doch meine Thraͤnen mit deinenThraͤnen vermiſchen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/139>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.