und wie weit er nun schon in dieser Liebe gekom¬ men sey, und was ihm noch für Hindernisse im Wege ständen.
Demohngeachtet trug Reiser diesen Brief beständig bei sich, und las ihn zum öftern durch, weil Philipp Reiser doch sein einziger Freund war.
Ohnweit der Kirschlache war ein angeneh¬ mer Spatziergang, wo zwischen grünem Ge¬ büsch im Thale sich ein klarer Bach ergoß. -- Die Aussicht war rund umher gehemmt, und man befand sich in einer reizenden Einsamkeit. --
Hier brachte Reiser manche Stunde auf dem grünen Rasen am Ufer des Baches zu, und dachte über sein Schicksal nach, und wenn er zu denken müde war, so las er den Brief seines Freundes durch, den er, so wenig ihn auch der Inhalt interessirte, am Ende fast auswendig lernte -- denn er hatte doch einmal nichts zu lesen, was ihm näher gewesen wäre, als dieser Brief.
Dazu kam noch der Umstand, daß Philipp Reiser aus Erfurt gebürtig war; sie hatten also beide ihre Vaterstädte vertauscht -- und Anton Reiser befand sich nun auf demselbigen Fleck,
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und wie weit er nun ſchon in dieſer Liebe gekom¬ men ſey, und was ihm noch fuͤr Hinderniſſe im Wege ſtaͤnden.
Demohngeachtet trug Reiſer dieſen Brief beſtaͤndig bei ſich, und las ihn zum oͤftern durch, weil Philipp Reiſer doch ſein einziger Freund war.
Ohnweit der Kirſchlache war ein angeneh¬ mer Spatziergang, wo zwiſchen gruͤnem Ge¬ buͤſch im Thale ſich ein klarer Bach ergoß. — Die Ausſicht war rund umher gehemmt, und man befand ſich in einer reizenden Einſamkeit. —
Hier brachte Reiſer manche Stunde auf dem gruͤnen Raſen am Ufer des Baches zu, und dachte uͤber ſein Schickſal nach, und wenn er zu denken muͤde war, ſo las er den Brief ſeines Freundes durch, den er, ſo wenig ihn auch der Inhalt intereſſirte, am Ende faſt auswendig lernte — denn er hatte doch einmal nichts zu leſen, was ihm naͤher geweſen waͤre, als dieſer Brief.
Dazu kam noch der Umſtand, daß Philipp Reiſer aus Erfurt gebuͤrtig war; ſie hatten alſo beide ihre Vaterſtaͤdte vertauſcht — und Anton Reiſer befand ſich nun auf demſelbigen Fleck,
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und wie weit er nun ſchon in dieſer Liebe gekom¬
men ſey, und was ihm noch fuͤr Hinderniſſe im
Wege ſtaͤnden.
Demohngeachtet trug Reiſer dieſen Brief
beſtaͤndig bei ſich, und las ihn zum oͤftern durch,
weil Philipp Reiſer doch ſein einziger Freund war.
Ohnweit der Kirſchlache war ein angeneh¬
mer Spatziergang, wo zwiſchen gruͤnem Ge¬
buͤſch im Thale ſich ein klarer Bach ergoß. —
Die Ausſicht war rund umher gehemmt, und
man befand ſich in einer reizenden Einſamkeit. —
Hier brachte Reiſer manche Stunde auf dem
gruͤnen Raſen am Ufer des Baches zu, und
dachte uͤber ſein Schickſal nach, und wenn er
zu denken muͤde war, ſo las er den Brief ſeines
Freundes durch, den er, ſo wenig ihn auch der
Inhalt intereſſirte, am Ende faſt auswendig
lernte — denn er hatte doch einmal nichts zu
leſen, was ihm naͤher geweſen waͤre, als dieſer
Brief.
Dazu kam noch der Umſtand, daß Philipp
Reiſer aus Erfurt gebuͤrtig war; ſie hatten alſo
beide ihre Vaterſtaͤdte vertauſcht — und Anton
Reiſer befand ſich nun auf demſelbigen Fleck,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/133>, abgerufen am 16.02.2025.
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