sich in seinen Hörsaal, wo die Studenten schon mit den Hüten auf den Köpfen saßen, welches für Reisern ein ganz ungewohnter Anblick war; um so vielmehr, da er merkte, daß man sich über ihn aufhielt, weil er nicht auch bedeckt blieb.
Er sahe sich also nun auf einmal in Erfurt, in dem Hörsaale eines Professors, mitten unter Studenten sitzen, da er am Morgen eben dieses Tages noch weiter nichts als das offne Feld, das er durchwanderte, zu seinem Aufenthalt vor sich sahe.
Der Doktor Froriep las Kirchengeschichte, wobei auch manche lustige Anekdote mit unter¬ lief, die das Auditorium aufmunterte, und von den Musensöhnen oft mit einem schallenden Ge¬ lächter begleitet wurde. Dieß alles war Rei¬ sern noch wie ein Traum. Er erinnerte sich an die Jahre seiner Kindheit, wo ihm der Hörsaal der Schule schon heilig war, und itzt fand er sich auf einmal in einem akademischen Hörsaale, über dem nun nichts Höhers mehr war.
Als das Kollegium zu Ende war, nahm der Doktor Froriep Reisern mit sich auf seine Stube, und fragte ihn um seine Geschichte.
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ſich in ſeinen Hoͤrſaal, wo die Studenten ſchon mit den Huͤten auf den Koͤpfen ſaßen, welches fuͤr Reiſern ein ganz ungewohnter Anblick war; um ſo vielmehr, da er merkte, daß man ſich uͤber ihn aufhielt, weil er nicht auch bedeckt blieb.
Er ſahe ſich alſo nun auf einmal in Erfurt, in dem Hoͤrſaale eines Profeſſors, mitten unter Studenten ſitzen, da er am Morgen eben dieſes Tages noch weiter nichts als das offne Feld, das er durchwanderte, zu ſeinem Aufenthalt vor ſich ſahe.
Der Doktor Froriep las Kirchengeſchichte, wobei auch manche luſtige Anekdote mit unter¬ lief, die das Auditorium aufmunterte, und von den Muſenſoͤhnen oft mit einem ſchallenden Ge¬ laͤchter begleitet wurde. Dieß alles war Rei¬ ſern noch wie ein Traum. Er erinnerte ſich an die Jahre ſeiner Kindheit, wo ihm der Hoͤrſaal der Schule ſchon heilig war, und itzt fand er ſich auf einmal in einem akademiſchen Hoͤrſaale, uͤber dem nun nichts Hoͤhers mehr war.
Als das Kollegium zu Ende war, nahm der Doktor Froriep Reiſern mit ſich auf ſeine Stube, und fragte ihn um ſeine Geſchichte.
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ſich in ſeinen Hoͤrſaal, wo die Studenten ſchon
mit den Huͤten auf den Koͤpfen ſaßen, welches
fuͤr Reiſern ein ganz ungewohnter Anblick war;
um ſo vielmehr, da er merkte, daß man ſich
uͤber ihn aufhielt, weil er nicht auch bedeckt blieb.
Er ſahe ſich alſo nun auf einmal in Erfurt,
in dem Hoͤrſaale eines Profeſſors, mitten unter
Studenten ſitzen, da er am Morgen eben dieſes
Tages noch weiter nichts als das offne Feld,
das er durchwanderte, zu ſeinem Aufenthalt
vor ſich ſahe.
Der Doktor Froriep las Kirchengeſchichte,
wobei auch manche luſtige Anekdote mit unter¬
lief, die das Auditorium aufmunterte, und von
den Muſenſoͤhnen oft mit einem ſchallenden Ge¬
laͤchter begleitet wurde. Dieß alles war Rei¬
ſern noch wie ein Traum. Er erinnerte ſich an
die Jahre ſeiner Kindheit, wo ihm der Hoͤrſaal
der Schule ſchon heilig war, und itzt fand er
ſich auf einmal in einem akademiſchen Hoͤrſaale,
uͤber dem nun nichts Hoͤhers mehr war.
Als das Kollegium zu Ende war, nahm
der Doktor Froriep Reiſern mit ſich auf ſeine
Stube, und fragte ihn um ſeine Geſchichte.
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/115>, abgerufen am 16.02.2025.
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