drei künftige Nächte ausgegeben, und ihm blieb nichts weiter übrig, als ganz unter freiem Himmel zu wohnen.
Bei diesem Gedanken war es ihm, als ob er nun mit dem Trunk Bier die Vergessenheit alles Künftigen und Vergangenen trinke, und von allem Kummer auf einmal befreiet werden sollte. Denn nun gab er sich ganz seinem Schicksale hin, und betrachtete sich wieder wie ein fremdes Wesen, für das er nicht mehr den¬ ken könnte, weil es unwiederbringlich verlohren war; so schlummerte er ein, und schlief eine Stundelang.
Als er erwachte, war es noch eine Stunde vor Mittage, sein Gefährte war weggegangen, und er saß, den Kopf auf die Hand gestüzt, in stummer Verzweiflung da, als ein Mann, der gerade gegen ihm über saß, ihn anredete, und sich erkundigte, ob er nicht ein fremder Stu¬ dent sey?
Als dies bejahet wurde, erzählte der Mann, gleichsam, als ob er um Reisers Zustand ge¬ wußt hätte; daß der jetzige Prorektor der Uni¬ versität, der Abt vom Benediktinerkloster auf
dem
drei kuͤnftige Naͤchte ausgegeben, und ihm blieb nichts weiter uͤbrig, als ganz unter freiem Himmel zu wohnen.
Bei dieſem Gedanken war es ihm, als ob er nun mit dem Trunk Bier die Vergeſſenheit alles Kuͤnftigen und Vergangenen trinke, und von allem Kummer auf einmal befreiet werden ſollte. Denn nun gab er ſich ganz ſeinem Schickſale hin, und betrachtete ſich wieder wie ein fremdes Weſen, fuͤr das er nicht mehr den¬ ken koͤnnte, weil es unwiederbringlich verlohren war; ſo ſchlummerte er ein, und ſchlief eine Stundelang.
Als er erwachte, war es noch eine Stunde vor Mittage, ſein Gefaͤhrte war weggegangen, und er ſaß, den Kopf auf die Hand geſtuͤzt, in ſtummer Verzweiflung da, als ein Mann, der gerade gegen ihm uͤber ſaß, ihn anredete, und ſich erkundigte, ob er nicht ein fremder Stu¬ dent ſey?
Als dies bejahet wurde, erzaͤhlte der Mann, gleichſam, als ob er um Reiſers Zuſtand ge¬ wußt haͤtte; daß der jetzige Prorektor der Uni¬ verſitaͤt, der Abt vom Benediktinerkloſter auf
dem
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[96/0110]
drei kuͤnftige Naͤchte ausgegeben, und ihm blieb
nichts weiter uͤbrig, als ganz unter freiem
Himmel zu wohnen.
Bei dieſem Gedanken war es ihm, als ob
er nun mit dem Trunk Bier die Vergeſſenheit
alles Kuͤnftigen und Vergangenen trinke, und
von allem Kummer auf einmal befreiet werden
ſollte. Denn nun gab er ſich ganz ſeinem
Schickſale hin, und betrachtete ſich wieder wie
ein fremdes Weſen, fuͤr das er nicht mehr den¬
ken koͤnnte, weil es unwiederbringlich verlohren
war; ſo ſchlummerte er ein, und ſchlief eine
Stundelang.
Als er erwachte, war es noch eine Stunde
vor Mittage, ſein Gefaͤhrte war weggegangen,
und er ſaß, den Kopf auf die Hand geſtuͤzt, in
ſtummer Verzweiflung da, als ein Mann, der
gerade gegen ihm uͤber ſaß, ihn anredete, und
ſich erkundigte, ob er nicht ein fremder Stu¬
dent ſey?
Als dies bejahet wurde, erzaͤhlte der Mann,
gleichſam, als ob er um Reiſers Zuſtand ge¬
wußt haͤtte; daß der jetzige Prorektor der Uni¬
verſitaͤt, der Abt vom Benediktinerkloſter auf
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/110>, abgerufen am 07.07.2024.
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