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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Bäume. -- An diesem Bache verträumte er man¬
che glückliche Stunde seines Lebens -- Und hier
besuchte ihn auch zuweilen die Muse, oder viel¬
mehr, er suchte sie -- Denn er bemühte sich jetzt,
ein großes Gedicht zu Stande zu bringen, und
weil er dißmal bloß dichten wollte, um zu dich¬
ten, so gelang es ihm nicht, wie vorher; der
Wunsch, ein Gedicht zu machen, war dißmal
eher bei ihm da, als der Gegenstand, den er be¬
singen wollte, woraus gemeiniglich nicht viel Gu¬
tes zu folgen pflegt. --

Die Gedanken waren dißmal gesucht, oder
gemein -- man sahe, was er schrieb, hatte sollen
ein Gedicht werden -- Indes schimmerte auch
durch diese schlechten Verse allenthalben seine
schwermüthige Laune durch -- jedes lachende
und angenehme Bild war gleichsam mit einem
Flor überzogen -- Die Blätter färbten sich nur
mit jungem Grün, um wieder zu verwelken
-- Der Himmel war nur heiter, um sich wie¬
der zu trüben
. --

Philipp Reiser ertheilte diesem Gedichte seinen
Beifall nicht; und doch hatte Anton Reiser, bei
jedem Reime, den er mühsam hersetzte, darauf

Baͤume. — An dieſem Bache vertraͤumte er man¬
che gluͤckliche Stunde ſeines Lebens — Und hier
beſuchte ihn auch zuweilen die Muſe, oder viel¬
mehr, er ſuchte ſie — Denn er bemuͤhte ſich jetzt,
ein großes Gedicht zu Stande zu bringen, und
weil er dißmal bloß dichten wollte, um zu dich¬
ten, ſo gelang es ihm nicht, wie vorher; der
Wunſch, ein Gedicht zu machen, war dißmal
eher bei ihm da, als der Gegenſtand, den er be¬
ſingen wollte, woraus gemeiniglich nicht viel Gu¬
tes zu folgen pflegt. —

Die Gedanken waren dißmal geſucht, oder
gemein — man ſahe, was er ſchrieb, hatte ſollen
ein Gedicht werden — Indes ſchimmerte auch
durch dieſe ſchlechten Verſe allenthalben ſeine
ſchwermuͤthige Laune durch — jedes lachende
und angenehme Bild war gleichſam mit einem
Flor uͤberzogen — Die Blaͤtter faͤrbten ſich nur
mit jungem Gruͤn, um wieder zu verwelken
— Der Himmel war nur heiter, um ſich wie¬
der zu truͤben
. —

Philipp Reiſer ertheilte dieſem Gedichte ſeinen
Beifall nicht; und doch hatte Anton Reiſer, bei
jedem Reime, den er muͤhſam herſetzte, darauf

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[77/0087] Baͤume. — An dieſem Bache vertraͤumte er man¬ che gluͤckliche Stunde ſeines Lebens — Und hier beſuchte ihn auch zuweilen die Muſe, oder viel¬ mehr, er ſuchte ſie — Denn er bemuͤhte ſich jetzt, ein großes Gedicht zu Stande zu bringen, und weil er dißmal bloß dichten wollte, um zu dich¬ ten, ſo gelang es ihm nicht, wie vorher; der Wunſch, ein Gedicht zu machen, war dißmal eher bei ihm da, als der Gegenſtand, den er be¬ ſingen wollte, woraus gemeiniglich nicht viel Gu¬ tes zu folgen pflegt. — Die Gedanken waren dißmal geſucht, oder gemein — man ſahe, was er ſchrieb, hatte ſollen ein Gedicht werden — Indes ſchimmerte auch durch dieſe ſchlechten Verſe allenthalben ſeine ſchwermuͤthige Laune durch — jedes lachende und angenehme Bild war gleichſam mit einem Flor uͤberzogen — Die Blaͤtter faͤrbten ſich nur mit jungem Gruͤn, um wieder zu verwelken — Der Himmel war nur heiter, um ſich wie¬ der zu truͤben. — Philipp Reiſer ertheilte dieſem Gedichte ſeinen Beifall nicht; und doch hatte Anton Reiſer, bei jedem Reime, den er muͤhſam herſetzte, darauf

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/87>, abgerufen am 27.11.2024.