allein fühlte er sich edler und ausgezeichneter, als unter jenem Gewimmel verlohren. -- Sein Stolz, der sich emporarbeitete, siegte über den Verdruß, den er zuerst empfand -- daß er an den Haufen sich nicht anschließen konnte, drängte ihm in sich selbst zurück -- und veredelte und er¬ hob seine Gedanken und Empfindungen. --
Diß war nun auch der Fall bei dem einsamen Spatziergange au dem trüben und regnigten Nachmittage, wo er den hämischen Blicken seiner versammleten Mitschüler, und der gänzlichen Vernachlässigung und dem unerträglichen Nicht¬ bemerktwerden, das ihm bevorstand, entfloh, indem er aus dem Thore von H. . . dem einsamen Walde zueilte. --
Dieser einsame Spatziergang entwickelte auf einmal mehr Empfindungen in seiner Seele, und trug mehr zur eigentlichen Bildung seines Geistes bei -- als alle Schulstunden, die er je gehabt hatte, zusammengenommen. --
Dieser einsame Spatziergang war es, welcher Reisers Selbstgefühl erhöhte, seinen Gesichts¬ kreis erweiterte, und ihm eine anschauliche Vor¬ stellung von seinem eignen wahren, isolirten
allein fuͤhlte er ſich edler und ausgezeichneter, als unter jenem Gewimmel verlohren. — Sein Stolz, der ſich emporarbeitete, ſiegte uͤber den Verdruß, den er zuerſt empfand — daß er an den Haufen ſich nicht anſchließen konnte, draͤngte ihm in ſich ſelbſt zuruͤck — und veredelte und er¬ hob ſeine Gedanken und Empfindungen. —
Diß war nun auch der Fall bei dem einſamen Spatziergange au dem truͤben und regnigten Nachmittage, wo er den haͤmiſchen Blicken ſeiner verſammleten Mitſchuͤler, und der gaͤnzlichen Vernachlaͤſſigung und dem unertraͤglichen Nicht¬ bemerktwerden, das ihm bevorſtand, entfloh, indem er aus dem Thore von H. . . dem einſamen Walde zueilte. —
Dieſer einſame Spatziergang entwickelte auf einmal mehr Empfindungen in ſeiner Seele, und trug mehr zur eigentlichen Bildung ſeines Geiſtes bei — als alle Schulſtunden, die er je gehabt hatte, zuſammengenommen. —
Dieſer einſame Spatziergang war es, welcher Reiſers Selbſtgefuͤhl erhoͤhte, ſeinen Geſichts¬ kreis erweiterte, und ihm eine anſchauliche Vor¬ ſtellung von ſeinem eignen wahren, iſolirten
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allein fuͤhlte er ſich edler und ausgezeichneter,
als unter jenem Gewimmel verlohren. — Sein
Stolz, der ſich emporarbeitete, ſiegte uͤber den
Verdruß, den er zuerſt empfand — daß er an
den Haufen ſich nicht anſchließen konnte, draͤngte
ihm in ſich ſelbſt zuruͤck — und veredelte und er¬
hob ſeine Gedanken und Empfindungen. —
Diß war nun auch der Fall bei dem einſamen
Spatziergange au dem truͤben und regnigten
Nachmittage, wo er den haͤmiſchen Blicken ſeiner
verſammleten Mitſchuͤler, und der gaͤnzlichen
Vernachlaͤſſigung und dem unertraͤglichen Nicht¬
bemerktwerden, das ihm bevorſtand, entfloh,
indem er aus dem Thore von H. . . dem einſamen
Walde zueilte. —
Dieſer einſame Spatziergang entwickelte auf
einmal mehr Empfindungen in ſeiner Seele, und
trug mehr zur eigentlichen Bildung ſeines Geiſtes
bei — als alle Schulſtunden, die er je gehabt
hatte, zuſammengenommen. —
Dieſer einſame Spatziergang war es, welcher
Reiſers Selbſtgefuͤhl erhoͤhte, ſeinen Geſichts¬
kreis erweiterte, und ihm eine anſchauliche Vor¬
ſtellung von ſeinem eignen wahren, iſolirten
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/76>, abgerufen am 16.02.2025.
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