mit einem Blick umfassenden Wesen, konnte er sich kein wahres Individuum denken. --
Am Ende seiner Untersuchungen dünkte ihm sein eignes Daseyn, eine bloße Täuschung, eine abstrakte Idee -- ein Zusammenfassen der Aehnlichkeiten, die jeder folgende Moment in seinem Leben mit dem entschwundenen hatte. -- Durch diese Begriffe von seiner eignen Einge¬ schränktheit, veredelten sich seine Begriffe von der Gottheit -- er fing an, nun in diesem großen Begriffe, sein eignes Daseyn zu fühlen, das ihm ohnedem unter den Händen zu verschwinden, ohne Zweck, abgerissen, und zerstückt zu seyn schien. -- --
Aus diesen Reflexionen bildete sich der erste schriftliche Aufsatz, den er entwarf, und dem er die Form eines Briefes an seinen Freund gab, mit welchem er sich über diese Materie oft zu un¬ terreden pflegte, und der ihn wenigstens immer zu verstehen schien. -- --
Dabei dauerten seine Kopfschmerzen immer fort -- allein er gewöhnte sich zuletzt so daran, daß ihm sein Zustand ordentlich gefährlich oder
mit einem Blick umfaſſenden Weſen, konnte er ſich kein wahres Individuum denken. —
Am Ende ſeiner Unterſuchungen duͤnkte ihm ſein eignes Daſeyn, eine bloße Taͤuſchung, eine abſtrakte Idee — ein Zuſammenfaſſen der Aehnlichkeiten, die jeder folgende Moment in ſeinem Leben mit dem entſchwundenen hatte. — Durch dieſe Begriffe von ſeiner eignen Einge¬ ſchraͤnktheit, veredelten ſich ſeine Begriffe von der Gottheit — er fing an, nun in dieſem großen Begriffe, ſein eignes Daſeyn zu fuͤhlen, das ihm ohnedem unter den Haͤnden zu verſchwinden, ohne Zweck, abgeriſſen, und zerſtuͤckt zu ſeyn ſchien. — —
Aus dieſen Reflexionen bildete ſich der erſte ſchriftliche Aufſatz, den er entwarf, und dem er die Form eines Briefes an ſeinen Freund gab, mit welchem er ſich uͤber dieſe Materie oft zu un¬ terreden pflegte, und der ihn wenigſtens immer zu verſtehen ſchien. — —
Dabei dauerten ſeine Kopfſchmerzen immer fort — allein er gewoͤhnte ſich zuletzt ſo daran, daß ihm ſein Zuſtand ordentlich gefaͤhrlich oder
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[54/0064]
mit einem Blick umfaſſenden Weſen, konnte
er ſich kein wahres Individuum denken. —
Am Ende ſeiner Unterſuchungen duͤnkte ihm
ſein eignes Daſeyn, eine bloße Taͤuſchung,
eine abſtrakte Idee — ein Zuſammenfaſſen
der Aehnlichkeiten, die jeder folgende Moment in
ſeinem Leben mit dem entſchwundenen hatte. —
Durch dieſe Begriffe von ſeiner eignen Einge¬
ſchraͤnktheit, veredelten ſich ſeine Begriffe von
der Gottheit — er fing an, nun in dieſem großen
Begriffe, ſein eignes Daſeyn zu fuͤhlen, das ihm
ohnedem unter den Haͤnden zu verſchwinden,
ohne Zweck, abgeriſſen, und zerſtuͤckt zu ſeyn
ſchien. — —
Aus dieſen Reflexionen bildete ſich der erſte
ſchriftliche Aufſatz, den er entwarf, und dem er
die Form eines Briefes an ſeinen Freund gab,
mit welchem er ſich uͤber dieſe Materie oft zu un¬
terreden pflegte, und der ihn wenigſtens immer
zu verſtehen ſchien. — —
Dabei dauerten ſeine Kopfſchmerzen immer
fort — allein er gewoͤhnte ſich zuletzt ſo daran,
daß ihm ſein Zuſtand ordentlich gefaͤhrlich oder
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/64>, abgerufen am 17.02.2025.
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