Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Fackeln und Musik beizuwohnen, und dort öf¬
fentlich
mit in Reihe und Gliede zu gehn. --

Was ihn aber am meisten schmerzte, war
doch im Grunde das letzte -- und diß war sehr
natürlich; denn durch seine Theilnehmung an
dem Aufzuge fühlte er sich gleichsam in alle
Rechte seines Standes, die ihm so sehr verleidet
waren, wieder eingesetzt -- davon ausgeschlossen
zu bleiben, däuchte ihm eine der größten Wider¬
wärtigkeiten, die ihm nur begegnen konnte. --
Das war auch die Ursach, weswegen er den Kon¬
rektor um Erlassung der Hälfte von dem Chor¬
gelde so flehentlich gebeten hatte, welches zu
thun er sich sonst nie würde erniedrigt haben.

Alle sein Sinnen und Denken, Geld zu be¬
kommen, half nichts; er konnte sich keine Fackel
kaufen, und mußte den folgenden Abend, wäh¬
rend daß alle seine Mitschüler, im glänzenden
Pomp, unter einer Menge von Zuschauern, über
die Straße zogen, traurig an seinem Klavier zu
Hause sitzen -- er suchte sich zu trösten, so gut
er konnte; aber da er von fern die Musik hörte,
so that diß eine sonderbare Wirkung auf sein Ge¬
müth -- er dachte sich lebhaft den Glanz der

Fackeln und Muſik beizuwohnen, und dort oͤf¬
fentlich
mit in Reihe und Gliede zu gehn. —

Was ihn aber am meiſten ſchmerzte, war
doch im Grunde das letzte — und diß war ſehr
natuͤrlich; denn durch ſeine Theilnehmung an
dem Aufzuge fuͤhlte er ſich gleichſam in alle
Rechte ſeines Standes, die ihm ſo ſehr verleidet
waren, wieder eingeſetzt — davon ausgeſchloſſen
zu bleiben, daͤuchte ihm eine der groͤßten Wider¬
waͤrtigkeiten, die ihm nur begegnen konnte. —
Das war auch die Urſach, weswegen er den Kon¬
rektor um Erlaſſung der Haͤlfte von dem Chor¬
gelde ſo flehentlich gebeten hatte, welches zu
thun er ſich ſonſt nie wuͤrde erniedrigt haben.

Alle ſein Sinnen und Denken, Geld zu be¬
kommen, half nichts; er konnte ſich keine Fackel
kaufen, und mußte den folgenden Abend, waͤh¬
rend daß alle ſeine Mitſchuͤler, im glaͤnzenden
Pomp, unter einer Menge von Zuſchauern, uͤber
die Straße zogen, traurig an ſeinem Klavier zu
Hauſe ſitzen — er ſuchte ſich zu troͤſten, ſo gut
er konnte; aber da er von fern die Muſik hoͤrte,
ſo that diß eine ſonderbare Wirkung auf ſein Ge¬
muͤth — er dachte ſich lebhaft den Glanz der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0032" n="22"/>
Fackeln und Mu&#x017F;ik beizuwohnen, und dort <hi rendition="#fr">o&#x0364;<lb/>
fentlich</hi> mit in <hi rendition="#fr">Reihe</hi> und <hi rendition="#fr">Gliede</hi> zu gehn. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Was ihn aber am mei&#x017F;ten &#x017F;chmerzte, war<lb/>
doch im Grunde das letzte &#x2014; und diß war &#x017F;ehr<lb/>
natu&#x0364;rlich; denn durch &#x017F;eine Theilnehmung an<lb/>
dem Aufzuge fu&#x0364;hlte er &#x017F;ich gleich&#x017F;am in alle<lb/><hi rendition="#fr">Rechte</hi> &#x017F;eines Standes, die ihm &#x017F;o &#x017F;ehr verleidet<lb/>
waren, wieder einge&#x017F;etzt &#x2014; davon ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu bleiben, da&#x0364;uchte ihm eine der gro&#x0364;ßten Wider¬<lb/>
wa&#x0364;rtigkeiten, die ihm nur begegnen konnte. &#x2014;<lb/>
Das war auch die Ur&#x017F;ach, weswegen er den Kon¬<lb/>
rektor um Erla&#x017F;&#x017F;ung der Ha&#x0364;lfte von dem Chor¬<lb/>
gelde &#x017F;o flehentlich gebeten hatte, welches zu<lb/>
thun er &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t nie wu&#x0364;rde erniedrigt haben.</p><lb/>
      <p>Alle &#x017F;ein Sinnen und Denken, Geld zu be¬<lb/>
kommen, half nichts; er konnte &#x017F;ich keine Fackel<lb/>
kaufen, und mußte den folgenden Abend, wa&#x0364;<lb/>
rend daß alle &#x017F;eine Mit&#x017F;chu&#x0364;ler, im gla&#x0364;nzenden<lb/>
Pomp, unter einer Menge von Zu&#x017F;chauern, u&#x0364;ber<lb/>
die Straße zogen, traurig an &#x017F;einem Klavier zu<lb/>
Hau&#x017F;e &#x017F;itzen &#x2014; er &#x017F;uchte &#x017F;ich zu tro&#x0364;&#x017F;ten, &#x017F;o gut<lb/>
er konnte; aber da er von fern die Mu&#x017F;ik ho&#x0364;rte,<lb/>
&#x017F;o that diß eine &#x017F;onderbare Wirkung auf &#x017F;ein Ge¬<lb/>
mu&#x0364;th &#x2014; er dachte &#x017F;ich lebhaft den Glanz der<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] Fackeln und Muſik beizuwohnen, und dort oͤf¬ fentlich mit in Reihe und Gliede zu gehn. — Was ihn aber am meiſten ſchmerzte, war doch im Grunde das letzte — und diß war ſehr natuͤrlich; denn durch ſeine Theilnehmung an dem Aufzuge fuͤhlte er ſich gleichſam in alle Rechte ſeines Standes, die ihm ſo ſehr verleidet waren, wieder eingeſetzt — davon ausgeſchloſſen zu bleiben, daͤuchte ihm eine der groͤßten Wider¬ waͤrtigkeiten, die ihm nur begegnen konnte. — Das war auch die Urſach, weswegen er den Kon¬ rektor um Erlaſſung der Haͤlfte von dem Chor¬ gelde ſo flehentlich gebeten hatte, welches zu thun er ſich ſonſt nie wuͤrde erniedrigt haben. Alle ſein Sinnen und Denken, Geld zu be¬ kommen, half nichts; er konnte ſich keine Fackel kaufen, und mußte den folgenden Abend, waͤh¬ rend daß alle ſeine Mitſchuͤler, im glaͤnzenden Pomp, unter einer Menge von Zuſchauern, uͤber die Straße zogen, traurig an ſeinem Klavier zu Hauſe ſitzen — er ſuchte ſich zu troͤſten, ſo gut er konnte; aber da er von fern die Muſik hoͤrte, ſo that diß eine ſonderbare Wirkung auf ſein Ge¬ muͤth — er dachte ſich lebhaft den Glanz der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/32
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/32>, abgerufen am 18.12.2024.