Die drei Abentheurer erreichten noch vor Tagesanbruch ein Dorf, das dicht am Fuß des Berges lag, wo sie einkehrten, und noch einige Stunden schliefen. -- Da sie aber am andern Mor¬ gen früh aufstanden, so waren alle die schönen Bil¬ derchen aus der Zauberlaterne verschwunden; die kahle Wirklichkeit mit allen ihren unvermeid¬ lichen Unannehmlichkeiten stand wieder vor ihrer Seele da -- sie saßen über eine Stunde einander gegen über und jähnten sich an. -- Wenn irgend etwas Reisern von seiner Phantasie noch hätte heilen können, so wäre es dieser Morgen nach solch einer Nacht gewesen -- es war ihnen nun leid geworden, den Berg zu besteigen, sie fühl¬ ten sich müde und matt, und nahmen den näch¬ sten Weg wieder nach der Stadt zurück, der ih¬ nen wegen der brennenden Sonnenhitze ziemlich beschwerlich wurde -- allein sie fingen unterwe¬ gens an, Reime zu extemporiren, womit sie sich die Einförmigkeit des Gehens einigermaßen erleichterten. --
Reiser blieb demohngeachtet völlig entschlos¬ sen, zu wandern, mögte auch sein Schicksal seyn, was da wollte -- er zog alles, was ihm begeg¬
3r Theil O
Die drei Abentheurer erreichten noch vor Tagesanbruch ein Dorf, das dicht am Fuß des Berges lag, wo ſie einkehrten, und noch einige Stunden ſchliefen. — Da ſie aber am andern Mor¬ gen fruͤh aufſtanden, ſo waren alle die ſchoͤnen Bil¬ derchen aus der Zauberlaterne verſchwunden; die kahle Wirklichkeit mit allen ihren unvermeid¬ lichen Unannehmlichkeiten ſtand wieder vor ihrer Seele da — ſie ſaßen uͤber eine Stunde einander gegen uͤber und jaͤhnten ſich an. — Wenn irgend etwas Reiſern von ſeiner Phantaſie noch haͤtte heilen koͤnnen, ſo waͤre es dieſer Morgen nach ſolch einer Nacht geweſen — es war ihnen nun leid geworden, den Berg zu beſteigen, ſie fuͤhl¬ ten ſich muͤde und matt, und nahmen den naͤch¬ ſten Weg wieder nach der Stadt zuruͤck, der ih¬ nen wegen der brennenden Sonnenhitze ziemlich beſchwerlich wurde — allein ſie fingen unterwe¬ gens an, Reime zu extemporiren, womit ſie ſich die Einfoͤrmigkeit des Gehens einigermaßen erleichterten. —
Reiſer blieb demohngeachtet voͤllig entſchloſ¬ ſen, zu wandern, moͤgte auch ſein Schickſal ſeyn, was da wollte — er zog alles, was ihm begeg¬
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Die drei Abentheurer erreichten noch vor
Tagesanbruch ein Dorf, das dicht am Fuß des
Berges lag, wo ſie einkehrten, und noch einige
Stunden ſchliefen. — Da ſie aber am andern Mor¬
gen fruͤh aufſtanden, ſo waren alle die ſchoͤnen Bil¬
derchen aus der Zauberlaterne verſchwunden; die
kahle Wirklichkeit mit allen ihren unvermeid¬
lichen Unannehmlichkeiten ſtand wieder vor ihrer
Seele da — ſie ſaßen uͤber eine Stunde einander
gegen uͤber und jaͤhnten ſich an. — Wenn irgend
etwas Reiſern von ſeiner Phantaſie noch haͤtte
heilen koͤnnen, ſo waͤre es dieſer Morgen nach
ſolch einer Nacht geweſen — es war ihnen nun
leid geworden, den Berg zu beſteigen, ſie fuͤhl¬
ten ſich muͤde und matt, und nahmen den naͤch¬
ſten Weg wieder nach der Stadt zuruͤck, der ih¬
nen wegen der brennenden Sonnenhitze ziemlich
beſchwerlich wurde — allein ſie fingen unterwe¬
gens an, Reime zu extemporiren, womit ſie ſich
die Einfoͤrmigkeit des Gehens einigermaßen
erleichterten. —
Reiſer blieb demohngeachtet voͤllig entſchloſ¬
ſen, zu wandern, moͤgte auch ſein Schickſal ſeyn,
was da wollte — er zog alles, was ihm begeg¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/247>, abgerufen am 16.02.2025.
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