aber schien ihm alles Widerspruch, Unordnung, und Verwirrung. --
Da er nun zu Hause ging, so wurde er auf der Straße erstlich von einem seiner Gläubiger gemahnet -- und da er mit gesenktem Haupte melancholisch vor sich hin ging, so hörte er hinter sich einen Jungen zum andern sagen: da geht der Magister Blasius! -- Dieß brachte ihn so auf, daß er dem Jungen auf der Straße ein paar Ohrfeigen gab, welcher nun hinter ihm herschimpfte, bis Reiser seine Wohnung er¬ reichte. --
Von dem Tage an, war Reisern der Anblick von den Straßen in H. . . ein Greuel -- und vor allem war die Straße, wo der Junge hinter ihm hergeschimpft hatte, ihm am verabscheuungswür¬ digsten; er vermied es, wo er konnte, durch die¬ selbe zu gehen, und wenn er doch durchgehen mußte, so war es ihm, als ob die Häuser auf ihn fallen wollten -- wohin er trat, glaubte er hinter sich den spottenden Pöbel, oder einen ungeduldi¬ gen Gläubiger zu hören. --
Diese Demüthigungen waren zu schnell nach¬ einander gekommen, als daß er sich unter dem
aber ſchien ihm alles Widerſpruch, Unordnung, und Verwirrung. —
Da er nun zu Hauſe ging, ſo wurde er auf der Straße erſtlich von einem ſeiner Glaͤubiger gemahnet — und da er mit geſenktem Haupte melancholiſch vor ſich hin ging, ſo hoͤrte er hinter ſich einen Jungen zum andern ſagen: da geht der Magiſter Blaſius! — Dieß brachte ihn ſo auf, daß er dem Jungen auf der Straße ein paar Ohrfeigen gab, welcher nun hinter ihm herſchimpfte, bis Reiſer ſeine Wohnung er¬ reichte. —
Von dem Tage an, war Reiſern der Anblick von den Straßen in H. . . ein Greuel — und vor allem war die Straße, wo der Junge hinter ihm hergeſchimpft hatte, ihm am verabſcheuungswuͤr¬ digſten; er vermied es, wo er konnte, durch die¬ ſelbe zu gehen, und wenn er doch durchgehen mußte, ſo war es ihm, als ob die Haͤuſer auf ihn fallen wollten — wohin er trat, glaubte er hinter ſich den ſpottenden Poͤbel, oder einen ungeduldi¬ gen Glaͤubiger zu hoͤren. —
Dieſe Demuͤthigungen waren zu ſchnell nach¬ einander gekommen, als daß er ſich unter dem
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aber ſchien ihm alles Widerſpruch, Unordnung,
und Verwirrung. —
Da er nun zu Hauſe ging, ſo wurde er auf
der Straße erſtlich von einem ſeiner Glaͤubiger
gemahnet — und da er mit geſenktem Haupte
melancholiſch vor ſich hin ging, ſo hoͤrte er hinter
ſich einen Jungen zum andern ſagen: da geht
der Magiſter Blaſius! — Dieß brachte ihn
ſo auf, daß er dem Jungen auf der Straße ein
paar Ohrfeigen gab, welcher nun hinter ihm
herſchimpfte, bis Reiſer ſeine Wohnung er¬
reichte. —
Von dem Tage an, war Reiſern der Anblick
von den Straßen in H. . . ein Greuel — und vor
allem war die Straße, wo der Junge hinter ihm
hergeſchimpft hatte, ihm am verabſcheuungswuͤr¬
digſten; er vermied es, wo er konnte, durch die¬
ſelbe zu gehen, und wenn er doch durchgehen
mußte, ſo war es ihm, als ob die Haͤuſer auf ihn
fallen wollten — wohin er trat, glaubte er hinter
ſich den ſpottenden Poͤbel, oder einen ungeduldi¬
gen Glaͤubiger zu hoͤren. —
Dieſe Demuͤthigungen waren zu ſchnell nach¬
einander gekommen, als daß er ſich unter dem
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/231>, abgerufen am 16.02.2025.
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