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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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einkehrte, und sich etwas zusammenbettelte. --
Und Reisern machte das sonderbare Verhältniß
eine Art von Vergnügen, daß dieser arme Hand¬
werksbursch, der ihn vielleicht als einen wohlge¬
kleideten Menschen beneiden mochte, doch jetzt
im Grunde reicher, als er war. --

Den Nachmittag erreichte er Vegesack,
und betrachtete hier mit hungrigem Magen, was
er noch nie gesehen hatte, eine Anzahl dreima¬
stiger Schiffe, die in dem kleinen Hafen lagen. --
Dieser Anblick ergötzte ihn, ohngeachtet des
mißlichen Zustandes, worin er sich befand, unbe¬
schreiblich -- und weil er an diesem Zustande
durch seine Unbesonnenheit selber schuld war, so
wollte er es sich gleichsam gegen sich selber nicht
einmal merken lassen, daß er nun damit unzu¬
frieden sey. --

Gegen Abend erreichte er Bremen; aber ehe
er an die Stadt kam, mußte er sich erst an das
jenseitige Ufer der Weser übersetzen lassen, wofür
gerade ein Bremergrote bezahlt werden mußte --
daß er nun diesen gerade noch gespart hat¬
te, däuchte ihm wiederum ein ordentlicher
Glücksfall, weil er sonst die Stadt nicht mehr

einkehrte, und ſich etwas zuſammenbettelte. —
Und Reiſern machte das ſonderbare Verhaͤltniß
eine Art von Vergnuͤgen, daß dieſer arme Hand¬
werksburſch, der ihn vielleicht als einen wohlge¬
kleideten Menſchen beneiden mochte, doch jetzt
im Grunde reicher, als er war. —

Den Nachmittag erreichte er Vegeſack,
und betrachtete hier mit hungrigem Magen, was
er noch nie geſehen hatte, eine Anzahl dreima¬
ſtiger Schiffe, die in dem kleinen Hafen lagen. —
Dieſer Anblick ergoͤtzte ihn, ohngeachtet des
mißlichen Zuſtandes, worin er ſich befand, unbe¬
ſchreiblich — und weil er an dieſem Zuſtande
durch ſeine Unbeſonnenheit ſelber ſchuld war, ſo
wollte er es ſich gleichſam gegen ſich ſelber nicht
einmal merken laſſen, daß er nun damit unzu¬
frieden ſey. —

Gegen Abend erreichte er Bremen; aber ehe
er an die Stadt kam, mußte er ſich erſt an das
jenſeitige Ufer der Weſer uͤberſetzen laſſen, wofuͤr
gerade ein Bremergrote bezahlt werden mußte —
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[166/0176] einkehrte, und ſich etwas zuſammenbettelte. — Und Reiſern machte das ſonderbare Verhaͤltniß eine Art von Vergnuͤgen, daß dieſer arme Hand¬ werksburſch, der ihn vielleicht als einen wohlge¬ kleideten Menſchen beneiden mochte, doch jetzt im Grunde reicher, als er war. — Den Nachmittag erreichte er Vegeſack, und betrachtete hier mit hungrigem Magen, was er noch nie geſehen hatte, eine Anzahl dreima¬ ſtiger Schiffe, die in dem kleinen Hafen lagen. — Dieſer Anblick ergoͤtzte ihn, ohngeachtet des mißlichen Zuſtandes, worin er ſich befand, unbe¬ ſchreiblich — und weil er an dieſem Zuſtande durch ſeine Unbeſonnenheit ſelber ſchuld war, ſo wollte er es ſich gleichſam gegen ſich ſelber nicht einmal merken laſſen, daß er nun damit unzu¬ frieden ſey. — Gegen Abend erreichte er Bremen; aber ehe er an die Stadt kam, mußte er ſich erſt an das jenſeitige Ufer der Weſer uͤberſetzen laſſen, wofuͤr gerade ein Bremergrote bezahlt werden mußte — daß er nun dieſen gerade noch geſpart hat¬ te, daͤuchte ihm wiederum ein ordentlicher Gluͤcksfall, weil er ſonſt die Stadt nicht mehr

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/176>, abgerufen am 24.11.2024.