Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder in seine Stelle versetzen. -- Der letzte
Vers dieser verliebten Klagen schien ihm daher
auch unter den Händen zu gerathen. --

Im tiefsten, schwarzen Hain,
Wohin kein Wandrer kam,
Wo Todes Vögel schrein --
Am ausgehöhlten Stamm
Der Eiche will ich trostlos weinen,
So lange Stern' am Himmel scheinen,
Bis unter meiner Klagen Laut
Der Morgen thaut. -- --
Zuweilen fing ihm nun auch sogar das zärtliche
an, zu gelingen, wenn es mit einer gewissen
sanften Schwermuth vergesellschaftet war -- so
machte er z. B. für jemanden ein Abschiedsgedicht
an dessen Geliebte -- das sich, nach einer bittern
Klage über die Trennung, schloß:

Den Abschied? -- O ich kann nur wei¬
nen --

Mein Herz ist schwer und thränenvoll --
Dir müssen heitre Tage scheinen --
Geliebte -- o leb wohl, leb wohl!

wieder in ſeine Stelle verſetzen. — Der letzte
Vers dieſer verliebten Klagen ſchien ihm daher
auch unter den Haͤnden zu gerathen. —

Im tiefſten, ſchwarzen Hain,
Wohin kein Wandrer kam,
Wo Todes Voͤgel ſchrein —
Am ausgehoͤhlten Stamm
Der Eiche will ich troſtlos weinen,
So lange Stern' am Himmel ſcheinen,
Bis unter meiner Klagen Laut
Der Morgen thaut. — —
Zuweilen fing ihm nun auch ſogar das zaͤrtliche
an, zu gelingen, wenn es mit einer gewiſſen
ſanften Schwermuth vergeſellſchaftet war — ſo
machte er z. B. fuͤr jemanden ein Abſchiedsgedicht
an deſſen Geliebte — das ſich, nach einer bittern
Klage uͤber die Trennung, ſchloß:

Den Abſchied? — O ich kann nur wei¬
nen —

Mein Herz iſt ſchwer und thraͤnenvoll —
Dir muͤſſen heitre Tage ſcheinen —
Geliebte — o leb wohl, leb wohl!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0166" n="156"/>
wieder in &#x017F;eine Stelle ver&#x017F;etzen. &#x2014; Der letzte<lb/>
Vers die&#x017F;er verliebten Klagen &#x017F;chien ihm daher<lb/>
auch unter den Ha&#x0364;nden zu gerathen. &#x2014;<lb/><lg type="poem"><l>Im tief&#x017F;ten, &#x017F;chwarzen Hain,</l><lb/><l>Wohin kein Wandrer kam,</l><lb/><l>Wo Todes Vo&#x0364;gel &#x017F;chrein &#x2014;</l><lb/><l>Am ausgeho&#x0364;hlten Stamm</l><lb/><l>Der Eiche will ich tro&#x017F;tlos weinen,</l><lb/><l>So lange Stern' am Himmel &#x017F;cheinen,</l><lb/><l>Bis unter meiner Klagen Laut</l><lb/><l>Der Morgen thaut. &#x2014; &#x2014;</l><lb/></lg> Zuweilen fing ihm nun auch &#x017F;ogar das za&#x0364;rtliche<lb/>
an, zu gelingen, wenn es mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;anften Schwermuth verge&#x017F;ell&#x017F;chaftet war &#x2014; &#x017F;o<lb/>
machte er z. B. fu&#x0364;r jemanden ein Ab&#x017F;chiedsgedicht<lb/>
an de&#x017F;&#x017F;en Geliebte &#x2014; das &#x017F;ich, nach einer bittern<lb/>
Klage u&#x0364;ber die Trennung, &#x017F;chloß:</p><lb/>
      <lg type="poem">
        <l>Den Ab&#x017F;chied? &#x2014; O ich kann nur wei¬<lb/><hi rendition="#et">nen &#x2014;</hi></l><lb/>
        <l>Mein Herz i&#x017F;t &#x017F;chwer und thra&#x0364;nenvoll &#x2014;</l><lb/>
        <l>Dir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en heitre Tage &#x017F;cheinen &#x2014;</l><lb/>
        <l>Geliebte &#x2014; o leb wohl, leb wohl!</l><lb/>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0166] wieder in ſeine Stelle verſetzen. — Der letzte Vers dieſer verliebten Klagen ſchien ihm daher auch unter den Haͤnden zu gerathen. — Im tiefſten, ſchwarzen Hain, Wohin kein Wandrer kam, Wo Todes Voͤgel ſchrein — Am ausgehoͤhlten Stamm Der Eiche will ich troſtlos weinen, So lange Stern' am Himmel ſcheinen, Bis unter meiner Klagen Laut Der Morgen thaut. — — Zuweilen fing ihm nun auch ſogar das zaͤrtliche an, zu gelingen, wenn es mit einer gewiſſen ſanften Schwermuth vergeſellſchaftet war — ſo machte er z. B. fuͤr jemanden ein Abſchiedsgedicht an deſſen Geliebte — das ſich, nach einer bittern Klage uͤber die Trennung, ſchloß: Den Abſchied? — O ich kann nur wei¬ nen — Mein Herz iſt ſchwer und thraͤnenvoll — Dir muͤſſen heitre Tage ſcheinen — Geliebte — o leb wohl, leb wohl!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/166
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/166>, abgerufen am 22.11.2024.