Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Hände zu bekommen; diese laß er durch, und
abstrahirte sich daraus sein Ideal, ohne sonst
aus einer einzigen, sich auch nur eines Ausdrucks
zu bedienen -- dieß vermied er so sorgfältig, als
er nur immer konnte; denn vor dem Plagiat
hatte er die entsetzlichste Scheu -- so daß er sich
sogar des Ausdrucks am Schluß seiner Rede,
daß Wald und Gebürg' es wiederhallen,
schämte, weil einmal in Werthers Leiden der
Ausdruck steht: daß Wald und Gebürg' er¬
klang
-- ihm entschlüpften zwar oft Remini¬
ßenzien, aber er schämte sich ihrer, sobald er sie
bemerkte. --

An dem Tage nun, da er die Rede gehalten
hatte, war er, wie ich schon bemerkt, niederge¬
schlagener, wie jemals -- denn alles war ihm
doch so todt, so leer -- und es war nun vorbei
-- womit seine Einbildungskraft sich so lange be¬
schäftigt hatte. --

Den Nachmittag wurde er nebst den andern
beiden, die Reden gehalten hatten, bei dem ersten
Bürgermeister, der zugleich Scholarch war, zum
Kaffee gebeten, dieß war ihm eine ganz unge¬
wohnte Ehre -- er wußte sich nicht recht dabei

K 3

Haͤnde zu bekommen; dieſe laß er durch, und
abſtrahirte ſich daraus ſein Ideal, ohne ſonſt
aus einer einzigen, ſich auch nur eines Ausdrucks
zu bedienen — dieß vermied er ſo ſorgfaͤltig, als
er nur immer konnte; denn vor dem Plagiat
hatte er die entſetzlichſte Scheu — ſo daß er ſich
ſogar des Ausdrucks am Schluß ſeiner Rede,
daß Wald und Gebuͤrg' es wiederhallen,
ſchaͤmte, weil einmal in Werthers Leiden der
Ausdruck ſteht: daß Wald und Gebuͤrg' er¬
klang
— ihm entſchluͤpften zwar oft Remini¬
ſzenzien, aber er ſchaͤmte ſich ihrer, ſobald er ſie
bemerkte. —

An dem Tage nun, da er die Rede gehalten
hatte, war er, wie ich ſchon bemerkt, niederge¬
ſchlagener, wie jemals — denn alles war ihm
doch ſo todt, ſo leer — und es war nun vorbei
— womit ſeine Einbildungskraft ſich ſo lange be¬
ſchaͤftigt hatte. —

Den Nachmittag wurde er nebſt den andern
beiden, die Reden gehalten hatten, bei dem erſten
Buͤrgermeiſter, der zugleich Scholarch war, zum
Kaffee gebeten, dieß war ihm eine ganz unge¬
wohnte Ehre — er wußte ſich nicht recht dabei

K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0159" n="149"/>
Ha&#x0364;nde zu bekommen; die&#x017F;e laß er durch, und<lb/>
ab&#x017F;trahirte &#x017F;ich daraus &#x017F;ein Ideal, ohne &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
aus einer einzigen, &#x017F;ich auch nur eines Ausdrucks<lb/>
zu bedienen &#x2014; dieß vermied er &#x017F;o &#x017F;orgfa&#x0364;ltig, als<lb/>
er nur immer konnte; denn vor dem Plagiat<lb/>
hatte er die ent&#x017F;etzlich&#x017F;te Scheu &#x2014; &#x017F;o daß er &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;ogar des Ausdrucks am Schluß &#x017F;einer Rede,<lb/><hi rendition="#fr">daß Wald und Gebu&#x0364;rg' es wiederhallen</hi>,<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mte, weil einmal in Werthers Leiden der<lb/>
Ausdruck &#x017F;teht: daß <hi rendition="#fr">Wald und Gebu&#x0364;rg' er¬<lb/>
klang</hi> &#x2014; ihm ent&#x017F;chlu&#x0364;pften zwar oft Remini¬<lb/>
&#x017F;zenzien, aber er &#x017F;cha&#x0364;mte &#x017F;ich ihrer, &#x017F;obald er &#x017F;ie<lb/>
bemerkte. &#x2014;</p><lb/>
      <p>An dem Tage nun, da er die Rede gehalten<lb/>
hatte, war er, wie ich &#x017F;chon bemerkt, niederge¬<lb/>
&#x017F;chlagener, wie jemals &#x2014; denn alles war ihm<lb/>
doch &#x017F;o todt, &#x017F;o leer &#x2014; und es war nun vorbei<lb/>
&#x2014; womit &#x017F;eine Einbildungskraft &#x017F;ich &#x017F;o lange be¬<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftigt hatte. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Den Nachmittag wurde er neb&#x017F;t den andern<lb/>
beiden, die Reden gehalten hatten, bei dem er&#x017F;ten<lb/>
Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter, der zugleich Scholarch war, zum<lb/>
Kaffee gebeten, dieß war ihm eine ganz unge¬<lb/>
wohnte Ehre &#x2014; er wußte &#x017F;ich nicht recht dabei<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0159] Haͤnde zu bekommen; dieſe laß er durch, und abſtrahirte ſich daraus ſein Ideal, ohne ſonſt aus einer einzigen, ſich auch nur eines Ausdrucks zu bedienen — dieß vermied er ſo ſorgfaͤltig, als er nur immer konnte; denn vor dem Plagiat hatte er die entſetzlichſte Scheu — ſo daß er ſich ſogar des Ausdrucks am Schluß ſeiner Rede, daß Wald und Gebuͤrg' es wiederhallen, ſchaͤmte, weil einmal in Werthers Leiden der Ausdruck ſteht: daß Wald und Gebuͤrg' er¬ klang — ihm entſchluͤpften zwar oft Remini¬ ſzenzien, aber er ſchaͤmte ſich ihrer, ſobald er ſie bemerkte. — An dem Tage nun, da er die Rede gehalten hatte, war er, wie ich ſchon bemerkt, niederge¬ ſchlagener, wie jemals — denn alles war ihm doch ſo todt, ſo leer — und es war nun vorbei — womit ſeine Einbildungskraft ſich ſo lange be¬ ſchaͤftigt hatte. — Den Nachmittag wurde er nebſt den andern beiden, die Reden gehalten hatten, bei dem erſten Buͤrgermeiſter, der zugleich Scholarch war, zum Kaffee gebeten, dieß war ihm eine ganz unge¬ wohnte Ehre — er wußte ſich nicht recht dabei K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/159
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/159>, abgerufen am 22.11.2024.