In seiner Lage möglich war, öffentlich Ehre und Beifall einerndten sollte -- aber eben dieß er¬ weckte bei ihm eine ganz besondre schwermüthige Empfindung -- auf diesen Punkt war nun bis¬ her alle sein Wünschen und Trachten gespannt gewesen -- bis auf diesen Punkt heftete sich die Aufmerksamkeit eines großen Theils von Men¬ schen auf ihn -- und wenn nun dieß vorbei wäre, so sollte das alles nachlassen, und die ganz all¬ täglichen Scenen des Lebens sollten dann wieder kommen. -- Dieser Gedanke erweckte in Reisern sehr oft den sonderbaren im Ernst ge¬ meinten Wunsch, daß er am Ende seiner Rede hinfallen und sterben möchte. -- Nun fügte es sich, daß gerade an dem Tage, da die Rede ge¬ halten wurde, eine außerordentliche Kälte ein¬ fiel, wodurch mancher zurückgehalten wurde, so daß die Anzahl der Zuhörer etwas kleiner wie gewöhnlich, aber die Versammlung doch immer noch glänzend genug war. -- Indes kam Reisern an diesem Tage alles so todt, so öde vor; die Phantasie mußte zurücktreten -- das Wirk¬ liche war nun da -- und eben daß nun dieß, wovon er so lange geträumt hatte, schon wirk¬
lich
In ſeiner Lage moͤglich war, oͤffentlich Ehre und Beifall einerndten ſollte — aber eben dieß er¬ weckte bei ihm eine ganz beſondre ſchwermuͤthige Empfindung — auf dieſen Punkt war nun bis¬ her alle ſein Wuͤnſchen und Trachten geſpannt geweſen — bis auf dieſen Punkt heftete ſich die Aufmerkſamkeit eines großen Theils von Men¬ ſchen auf ihn — und wenn nun dieß vorbei waͤre, ſo ſollte das alles nachlaſſen, und die ganz all¬ taͤglichen Scenen des Lebens ſollten dann wieder kommen. — Dieſer Gedanke erweckte in Reiſern ſehr oft den ſonderbaren im Ernſt ge¬ meinten Wunſch, daß er am Ende ſeiner Rede hinfallen und ſterben moͤchte. — Nun fuͤgte es ſich, daß gerade an dem Tage, da die Rede ge¬ halten wurde, eine außerordentliche Kaͤlte ein¬ fiel, wodurch mancher zuruͤckgehalten wurde, ſo daß die Anzahl der Zuhoͤrer etwas kleiner wie gewoͤhnlich, aber die Verſammlung doch immer noch glaͤnzend genug war. — Indes kam Reiſern an dieſem Tage alles ſo todt, ſo oͤde vor; die Phantaſie mußte zuruͤcktreten — das Wirk¬ liche war nun da — und eben daß nun dieß, wovon er ſo lange getraͤumt hatte, ſchon wirk¬
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In ſeiner Lage moͤglich war, oͤffentlich Ehre und
Beifall einerndten ſollte — aber eben dieß er¬
weckte bei ihm eine ganz beſondre ſchwermuͤthige
Empfindung — auf dieſen Punkt war nun bis¬
her alle ſein Wuͤnſchen und Trachten geſpannt
geweſen — bis auf dieſen Punkt heftete ſich die
Aufmerkſamkeit eines großen Theils von Men¬
ſchen auf ihn — und wenn nun dieß vorbei waͤre,
ſo ſollte das alles nachlaſſen, und die ganz all¬
taͤglichen Scenen des Lebens ſollten dann
wieder kommen. — Dieſer Gedanke erweckte in
Reiſern ſehr oft den ſonderbaren im Ernſt ge¬
meinten Wunſch, daß er am Ende ſeiner Rede
hinfallen und ſterben moͤchte. — Nun fuͤgte es
ſich, daß gerade an dem Tage, da die Rede ge¬
halten wurde, eine außerordentliche Kaͤlte ein¬
fiel, wodurch mancher zuruͤckgehalten wurde,
ſo daß die Anzahl der Zuhoͤrer etwas kleiner wie
gewoͤhnlich, aber die Verſammlung doch immer
noch glaͤnzend genug war. — Indes kam Reiſern
an dieſem Tage alles ſo todt, ſo oͤde vor; die
Phantaſie mußte zuruͤcktreten — das Wirk¬
liche war nun da — und eben daß nun dieß,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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