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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Diß war nun das höchste und glänzendste
Ziel, wornach ein Zögling dieser Schule nur stre¬
ben konnte, und wozu nur sehr wenige gelang¬
ten: denn gemeiniglich wurden sonst die Reden
an des Königes und der Königin Geburtstage
nur von jungen Edelleuten gehalten. -- Bei die¬
ser Feierlichkeit pflegten der Prinz und die Mi¬
nister, nebst allen übrigen Honoratioren der Stadt
zugegen zu sein -- welche einem solchen jungen
Menschen, der nun als die Hoffnung des Staats
betrachtet wurde, nach geendigter Rede ordent¬
lich Glück wünschten -- ein Anblick der Reisern
oft niederschlug, wenn er dachte, daß er zu so
etwas Glänzendem nie in seinem Leben gelan¬
gen würde. --

Und nun fügte es sich so plötzlich, da er noch
im Anfange desselben Jahres allgemein verachtet
und hindangesetzt war, daß ihm ohne sein Zu¬
thun ein so ermunternder Auftrag geschahe, zu
dessen Ausführung er nun auch gleich mit dem
größten Eifer schritte.

Er nahm sich vor, seine deutsche Rede in
Hexametern zu verfertigen: nun hatte ihm der
Direktor die Litteraturbriefe geliehen, und sie

Diß war nun das hoͤchſte und glaͤnzendſte
Ziel, wornach ein Zoͤgling dieſer Schule nur ſtre¬
ben konnte, und wozu nur ſehr wenige gelang¬
ten: denn gemeiniglich wurden ſonſt die Reden
an des Koͤniges und der Koͤnigin Geburtstage
nur von jungen Edelleuten gehalten. — Bei die¬
ſer Feierlichkeit pflegten der Prinz und die Mi¬
niſter, nebſt allen uͤbrigen Honoratioren der Stadt
zugegen zu ſein — welche einem ſolchen jungen
Menſchen, der nun als die Hoffnung des Staats
betrachtet wurde, nach geendigter Rede ordent¬
lich Gluͤck wuͤnſchten — ein Anblick der Reiſern
oft niederſchlug, wenn er dachte, daß er zu ſo
etwas Glaͤnzendem nie in ſeinem Leben gelan¬
gen wuͤrde. —

Und nun fuͤgte es ſich ſo ploͤtzlich, da er noch
im Anfange deſſelben Jahres allgemein verachtet
und hindangeſetzt war, daß ihm ohne ſein Zu¬
thun ein ſo ermunternder Auftrag geſchahe, zu
deſſen Ausfuͤhrung er nun auch gleich mit dem
groͤßten Eifer ſchritte.

Er nahm ſich vor, ſeine deutſche Rede in
Hexametern zu verfertigen: nun hatte ihm der
Direktor die Litteraturbriefe geliehen, und ſie

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[132/0142] Diß war nun das hoͤchſte und glaͤnzendſte Ziel, wornach ein Zoͤgling dieſer Schule nur ſtre¬ ben konnte, und wozu nur ſehr wenige gelang¬ ten: denn gemeiniglich wurden ſonſt die Reden an des Koͤniges und der Koͤnigin Geburtstage nur von jungen Edelleuten gehalten. — Bei die¬ ſer Feierlichkeit pflegten der Prinz und die Mi¬ niſter, nebſt allen uͤbrigen Honoratioren der Stadt zugegen zu ſein — welche einem ſolchen jungen Menſchen, der nun als die Hoffnung des Staats betrachtet wurde, nach geendigter Rede ordent¬ lich Gluͤck wuͤnſchten — ein Anblick der Reiſern oft niederſchlug, wenn er dachte, daß er zu ſo etwas Glaͤnzendem nie in ſeinem Leben gelan¬ gen wuͤrde. — Und nun fuͤgte es ſich ſo ploͤtzlich, da er noch im Anfange deſſelben Jahres allgemein verachtet und hindangeſetzt war, daß ihm ohne ſein Zu¬ thun ein ſo ermunternder Auftrag geſchahe, zu deſſen Ausfuͤhrung er nun auch gleich mit dem groͤßten Eifer ſchritte. Er nahm ſich vor, ſeine deutſche Rede in Hexametern zu verfertigen: nun hatte ihm der Direktor die Litteraturbriefe geliehen, und ſie

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/142>, abgerufen am 27.11.2024.