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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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So wird dem Schöpfer aller Wesen
Von dem, was er zum Seyn erlesen,
Ein ewigtönend Lied geweiht.

Philipp Reiser setzte also diese Verse in Mu¬
sik und sie wurden nun wirklich im Chore gesun¬
gen, ohne daß jemand den Verfasser wußte. --
Das neue Stück fand viel Beifall, und jeder¬
mann war besonders mit dem Text zufrieden --
es schmeichelte auch Anton Reisern nicht wenig,
da er seine eignen Worte von seinen Mitschülern,
die ihn so verachteten, singen, und sie ihren Bei¬
fall darüber bezeigen hörte, -- aber er sagte kei¬
nem einzigen, daß die Verse von ihm wären --
sondern genoß lieber bei sich selbst des stillen
Triumpfs, den ihm dieser ungesuchte Beifall ge¬
währte --

Seine Gedanken waren es doch, die jetzt zu
so oft wiederhohlten malen, als das neue Stück
gesungen wurde, die Aufmerksamkeit einer An¬
zahl Menschen die sangen, und derer die zuhör¬
ten, beschäftigte -- wenn irgend etwas fähig ist,
der Eitelkeit eines Menschen, der Verse macht,
Nahrung zu geben, so ist es, wenn man die Ge¬

So wird dem Schoͤpfer aller Weſen
Von dem, was er zum Seyn erleſen,
Ein ewigtoͤnend Lied geweiht.

Philipp Reiſer ſetzte alſo dieſe Verſe in Mu¬
ſik und ſie wurden nun wirklich im Chore geſun¬
gen, ohne daß jemand den Verfaſſer wußte. —
Das neue Stuͤck fand viel Beifall, und jeder¬
mann war beſonders mit dem Text zufrieden —
es ſchmeichelte auch Anton Reiſern nicht wenig,
da er ſeine eignen Worte von ſeinen Mitſchuͤlern,
die ihn ſo verachteten, ſingen, und ſie ihren Bei¬
fall daruͤber bezeigen hoͤrte, — aber er ſagte kei¬
nem einzigen, daß die Verſe von ihm waͤren —
ſondern genoß lieber bei ſich ſelbſt des ſtillen
Triumpfs, den ihm dieſer ungeſuchte Beifall ge¬
waͤhrte —

Seine Gedanken waren es doch, die jetzt zu
ſo oft wiederhohlten malen, als das neue Stuͤck
geſungen wurde, die Aufmerkſamkeit einer An¬
zahl Menſchen die ſangen, und derer die zuhoͤr¬
ten, beſchaͤftigte — wenn irgend etwas faͤhig iſt,
der Eitelkeit eines Menſchen, der Verſe macht,
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[107/0117] So wird dem Schoͤpfer aller Weſen Von dem, was er zum Seyn erleſen, Ein ewigtoͤnend Lied geweiht. Philipp Reiſer ſetzte alſo dieſe Verſe in Mu¬ ſik und ſie wurden nun wirklich im Chore geſun¬ gen, ohne daß jemand den Verfaſſer wußte. — Das neue Stuͤck fand viel Beifall, und jeder¬ mann war beſonders mit dem Text zufrieden — es ſchmeichelte auch Anton Reiſern nicht wenig, da er ſeine eignen Worte von ſeinen Mitſchuͤlern, die ihn ſo verachteten, ſingen, und ſie ihren Bei¬ fall daruͤber bezeigen hoͤrte, — aber er ſagte kei¬ nem einzigen, daß die Verſe von ihm waͤren — ſondern genoß lieber bei ſich ſelbſt des ſtillen Triumpfs, den ihm dieſer ungeſuchte Beifall ge¬ waͤhrte — Seine Gedanken waren es doch, die jetzt zu ſo oft wiederhohlten malen, als das neue Stuͤck geſungen wurde, die Aufmerkſamkeit einer An¬ zahl Menſchen die ſangen, und derer die zuhoͤr¬ ten, beſchaͤftigte — wenn irgend etwas faͤhig iſt, der Eitelkeit eines Menſchen, der Verſe macht, Nahrung zu geben, ſo iſt es, wenn man die Ge¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/117>, abgerufen am 23.11.2024.