Wenn er aber dann wieder zu Hause kam, und sich manchmal verblümter Weise mußte zu verstehen geben lassen, wie überdrüßig man seiner Gegenwart wäre -- dann saß er Stundenlang und getraute sich kaum Athem zu hohlen -- er war dann in einem entsetzlichen Zustande -- und hätte in der Welt nichts arbeiten können, denn sein Herz war ihm durch diese Begegnung zer¬ rissen. --
So konnten auch die Blicke der Frau des Garnisonküsters, wenn er dort gegessen hatte, ihn auf einige Tage niederschlagen, und ihm den Muth zum Fleiß benehmen.
Sicher wäre Reiser glücklicher und zufriede¬ ner und gewiß auch fleißiger gewesen, als er war, hätte man ihn von dem Gelde, das der Prinz für ihn hergab, Salz und Brodt für sich kaufen lassen, als daß man ihn an fremden Tischen sein Brodt essen ließ.
Es war abscheulich, in was für eine Lage er einmal gerieth, da die Frau des Garnisonkü¬ sters, über Tische erst anfing von den schlechten Zeiten, und von dem harten Winter, und dann von dem Holzmangel zu reden, und endlich über
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Wenn er aber dann wieder zu Hauſe kam, und ſich manchmal verbluͤmter Weiſe mußte zu verſtehen geben laſſen, wie uͤberdruͤßig man ſeiner Gegenwart waͤre — dann ſaß er Stundenlang und getraute ſich kaum Athem zu hohlen — er war dann in einem entſetzlichen Zuſtande — und haͤtte in der Welt nichts arbeiten koͤnnen, denn ſein Herz war ihm durch dieſe Begegnung zer¬ riſſen. —
So konnten auch die Blicke der Frau des Garniſonkuͤſters, wenn er dort gegeſſen hatte, ihn auf einige Tage niederſchlagen, und ihm den Muth zum Fleiß benehmen.
Sicher waͤre Reiſer gluͤcklicher und zufriede¬ ner und gewiß auch fleißiger geweſen, als er war, haͤtte man ihn von dem Gelde, das der Prinz fuͤr ihn hergab, Salz und Brodt fuͤr ſich kaufen laſſen, als daß man ihn an fremden Tiſchen ſein Brodt eſſen ließ.
Es war abſcheulich, in was fuͤr eine Lage er einmal gerieth, da die Frau des Garniſonkuͤ¬ ſters, uͤber Tiſche erſt anfing von den ſchlechten Zeiten, und von dem harten Winter, und dann von dem Holzmangel zu reden, und endlich uͤber
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Wenn er aber dann wieder zu Hauſe kam,
und ſich manchmal verbluͤmter Weiſe mußte zu
verſtehen geben laſſen, wie uͤberdruͤßig man ſeiner
Gegenwart waͤre — dann ſaß er Stundenlang
und getraute ſich kaum Athem zu hohlen — er
war dann in einem entſetzlichen Zuſtande — und
haͤtte in der Welt nichts arbeiten koͤnnen, denn
ſein Herz war ihm durch dieſe Begegnung zer¬
riſſen. —
So konnten auch die Blicke der Frau des
Garniſonkuͤſters, wenn er dort gegeſſen hatte,
ihn auf einige Tage niederſchlagen, und ihm den
Muth zum Fleiß benehmen.
Sicher waͤre Reiſer gluͤcklicher und zufriede¬
ner und gewiß auch fleißiger geweſen, als er war,
haͤtte man ihn von dem Gelde, das der Prinz
fuͤr ihn hergab, Salz und Brodt fuͤr ſich kaufen
laſſen, als daß man ihn an fremden Tiſchen ſein
Brodt eſſen ließ.
Es war abſcheulich, in was fuͤr eine Lage
er einmal gerieth, da die Frau des Garniſonkuͤ¬
ſters, uͤber Tiſche erſt anfing von den ſchlechten
Zeiten, und von dem harten Winter, und dann
von dem Holzmangel zu reden, und endlich uͤber
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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