Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.so wurde er beständig aufmerksamer darauf, und Der Kantor pflegte unter jede lateinische Aus¬ D 2
ſo wurde er beſtaͤndig aufmerkſamer darauf, und Der Kantor pflegte unter jede lateiniſche Aus¬ D 2
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0061" n="51"/> ſo wurde er beſtaͤndig aufmerkſamer darauf, und<lb/> lernte auch die feinern Unterſchiede zwiſchen den<lb/> Redetheilen und ihren Abaͤnderungen unvermerkt<lb/> einſehen; ſo daß er ſich nach einiger Zeit zuweilen<lb/> ſelbſt verwunderte, wie er vor kurzem noch ſolche<lb/> auffallende Fehler habe machen koͤnnen.</p><lb/> <p>Der Kantor pflegte unter jede lateiniſche Aus¬<lb/> arbeitung, nachdem er an den Seiten mit rothen<lb/> Strichen die Anzahl der Fehler bemerkt hatte,<lb/> ſein <hi rendition="#aq">vidi</hi> (ich habe es durchgeſehen) zu ſetzen. Da<lb/> nun Reiſer dieß <hi rendition="#aq">vidi</hi> unter ſeinem erſten Exerci¬<lb/> tium ſahe, ſo glaubte er, es ſey diß ein Wort,<lb/> das er ſelbſt immer ans Ende der Ausarbeitung<lb/> ſchreiben muͤſſe, und deſſen Auslaſſung ihm der<lb/> Kantor mit als einen Fehler angerechnet habe.<lb/> Er ſchrieb alſo mit eigner Hand unter ſein zwei¬<lb/> tes Exercitium <hi rendition="#aq">vidi</hi>, woruͤber der Kantor und<lb/> ſein Sohn, der dabey war, laut auflachten, und<lb/> ihm erklaͤrten, was es hieße. — Auf einmal<lb/> ſahe nun Reiſer ſeinen Irrthum, und konnte<lb/> nicht begreifen, wie er nicht ſelbſt auf die richtige<lb/> Erklaͤrung des <hi rendition="#aq">vidi</hi> gefallen ſey, da er doch ſonſt<lb/> wohl wußte, was <hi rendition="#aq">vidi</hi> hieß.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 2<lb/></fw> </body> </text> </TEI> [51/0061]
ſo wurde er beſtaͤndig aufmerkſamer darauf, und
lernte auch die feinern Unterſchiede zwiſchen den
Redetheilen und ihren Abaͤnderungen unvermerkt
einſehen; ſo daß er ſich nach einiger Zeit zuweilen
ſelbſt verwunderte, wie er vor kurzem noch ſolche
auffallende Fehler habe machen koͤnnen.
Der Kantor pflegte unter jede lateiniſche Aus¬
arbeitung, nachdem er an den Seiten mit rothen
Strichen die Anzahl der Fehler bemerkt hatte,
ſein vidi (ich habe es durchgeſehen) zu ſetzen. Da
nun Reiſer dieß vidi unter ſeinem erſten Exerci¬
tium ſahe, ſo glaubte er, es ſey diß ein Wort,
das er ſelbſt immer ans Ende der Ausarbeitung
ſchreiben muͤſſe, und deſſen Auslaſſung ihm der
Kantor mit als einen Fehler angerechnet habe.
Er ſchrieb alſo mit eigner Hand unter ſein zwei¬
tes Exercitium vidi, woruͤber der Kantor und
ſein Sohn, der dabey war, laut auflachten, und
ihm erklaͤrten, was es hieße. — Auf einmal
ſahe nun Reiſer ſeinen Irrthum, und konnte
nicht begreifen, wie er nicht ſelbſt auf die richtige
Erklaͤrung des vidi gefallen ſey, da er doch ſonſt
wohl wußte, was vidi hieß.
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